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VDV fordert erneut Direktvergaben im SPNV – Mofair kritisert „Freibier für alle“

22.02.12 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) fordert schon seit längerer Zeit eine Gesetzesänderung, um Direktvergaben im Schienenpersonennahverkehr wieder zu ermöglichen. Hierbei handelt es sich um öffentliche Aufträge, die dann an ein Privatunternehmen vergeben werden, ohne dass auch nur eine ergebnisoffene Marktevaluierung durchgeführt worden wäre. Auf einer Veranstaltung am gestrigen Dienstag (21. Februar) wurde diese Forderung noch einmal verstärkt.

Zwar spricht der VDV offiziell nur von Ausnahmetatbeständen, Vertragsharmonisierungen und ähnlichem, lässt dabei jedoch außen vor, dass es für solche Fälle mit der Notvergabe bereits juristisch wasserdichte Lösungen gibt. Darüber hinaus ist es fraglich, ob eine Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) ausreichen würde, oder ob man nicht zusätzlich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die Verdingungsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) novellieren müsste.

Kritik kommt vom Privatbahnverband Mofair. Dort wirft man dem in Köln ansässigen VDV vor, vom Rosenmontag nach einen „gewaltigen Kater“ zu haben und deshalb nicht richtig denken zu können. Statt dessen warnt man vor „Willkür und Korruption“, wenn Leistung und Kosten nicht sauber verglichen würden.

Mofair weist darauf hin, dass vielerorts „schlechte Deals“ mit der Deutschen Bahn aus der Zeit rund um die Jahrtausendwende „aufgebessert“ werden sollen, so war es etwa im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) und jetzt in Sachsen-Anhalt beim Elektronetz Nord. Dort wurden neue Verträge geschlossen, die Investitionen durch DB Regio vorsahen, kombiniert mit einem geringeren Zugkilometerpreis und einer Laufzeitverlängerung. Beim VRR wurde dieser Vertrag vom Bundesgerichtshof für nichtig erklärt, in Sachsen-Anhalt ist die Situation nach Ansicht von Mofair dieselbe, nach Ansicht des dortigen Aufgabenträgers NASA eine andere. Die Vergabekammer Halle an der Saale entscheidet derzeit über den Fall.

Die freihändige Vergabe in Sachsen-Anhalt hat jedoch noch eine weitere Komponente: DB Regio übernimmt bis 2028 alle Trassenpreisrisiken. Das muss vor dem Hintergrund der Tatsache betrachtet werden, dass die Dachorganisation der Aufgabenträger, die BAG SPNV, bereits vor zwei Jahren davor gewarnt hat, dass das derzeitige Verkehrsangebot im SPNV langfristig nicht haltbar ist, wenn die Infrastrukturkosten weiter im jetzigen Maße steigen. Verantwortlich dafür wird nicht eine zu geringe Finanzausstattung, sondern eine nicht ausreichende Regulierung der Trassenpreiskalkulation gemacht.

In Sachsen-Anhalt werden zumindest beim Elektronetz Nord Abbestellungen und Leistungskürzungen jetzt ausgeschlossen, weil der Aufgabenträger nicht mehr durch die Steigerungen der Trassenkosten zusätzliche Aufwendungen kompensieren muss. Mofair warnt zudem vor Absprachen, dass Infrastrukturplanungen durch DB Netz nur im Gegenzug für hochdotierte Direktvergaben an DB Regio stattfinden könnten.

Auch wenn die G 6 Privatbahnkonzerne allesamt im VDV organisiert sind, wird die Forderung nach einer Gesetzesänderung ausschließlich von Veolia unterstützt. Diese wollten im letzten Jahr bei ihrer Bayerischen Oberlandbahn (BOB) eine weitere Direktvergabe, jetzt gibt es jedoch eine Ausschreibung. Abellio, Benex, die Hessische Landesbahn, Keolis und Netinera lehnen Direktvergaben allesamt ab. Netinera muss zudem im Saarland derzeit eine Auseinandersetzung führen, weil Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) fordert, nach einem Vergabeverfahren, das Netinera für sich entscheiden konnte, DB Regio die exklusive Möglichkeit zu geben, das Angebot noch einmal nachzubessern.

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