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S-Bahn Berlin: Ja zur Ausschreibung!

13.02.12 (Berlin, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Das Berliner S-Bahnchaos geht ins vierte Jahr. Die Berliner S-Bahn überlebte zwei Weltkriege und die Teilung Deutschlands. Erst am 25. April 1945 wurde der Betrieb eingestellt – und bereits am 6. Juli wieder aufgenommen. Die völlig überzogenen Gewinnerwartungen der Deutschen Bahn und Hartmut Mehdorns Börsenwahn haben es jedoch geschafft: Die S-Bahn Berlin kann seit Jahren ihre vertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen.

Es ist keine Folge der Bahnreform, es ist die Folge einer unvertretbaren Direktvergabe, zu verantworten durch den rot-roten Senat. Für die Finanzierung der Betriebsleistungen der S-Bahn Berlin stehen jährlich rund 250 Millionen Euro zur Verfügung. Nach einem Nettogewinn von neun Millionen Euro im Jahr 2005 stieg diese Zahl 2006 auf 34 Millionen Euro, 2008 waren es 56 Millionen Euro und 2010 wollte die DB AG hier 125 Millionen Euro rausziehen – etwa die Hälfte der jährlich zur Verfügung stehenden Subventionen.

Nun gibt es von der Bahn AG die Erklärung, dass man die hohen Investitionen ja refinanzieren muss. Das ist nur auf den ersten Blick richtig, denn bei einem Nettogewinn sind die Abschreibungen für Investitionsgüter, wie etwa das Rollmaterial, bereits eingerechnet. Hier wurden nach bester Heuschreckenmanier auf Kosten der Sicherheit Dividenden kassiert und Sparmaßnahmen umgesetzt, für die man jeder Privatbahn unter großer Bejubelung selbsternannter „Privatisierungskritiker“ die Lizenz entzogen hätte.

Deshalb muss jetzt das passieren, was seit dem Abellio-Urteil obligatorisch ist; der Betrieb der S-Bahn Berlin muss als Zugleistung ordnungsgemäß ausgeschrieben werden. Für 2017 muss ein Teilnetz her, für den Rest muss ein Wettbewerbsüberführungsvertrag abgeschlossen werden – und wenn die DB AG da nicht mitspielt, muss der Senat eben eine Auferlegung aussprechen.

Hier nutzen auch keine Unterschriftensammlungen von Leuten, die sich einem sogenannten „S-Bahn-Tisch“ zusammengeschlossen haben. Mit Attack und dessen Vorfeldorganisation „Bahn für alle“, vertreten durch Chefideologe Winfried Wolf, der 2004 aufgrund der von ihm so empfundenen antikommunistischen Tendenzen aus der damaligen PDS ausgetreten ist, ebenso die DKP und fragwürdige Vereinigungen wie „Gruppe Arbeitermacht“, „Sozialistische Alternative“ oder „Föderation Deutscher Demokratischer Arbeitervereine“ sind hier gleich eine ganze Reihe an Hintermännern vertreten, auf die Erich Honecker wohl sehr stolz wäre.

Dabei geht es gar nicht um Bürgerbegehren oder irgendwelche Unterschriftenlisten, sondern einzig und allein um Recht und Gesetz. Eine Direktvergabe an die Deutsche Bahn würde vom Bundesgerichtshof erneut einkassiert werden. Machen sich diese Leute eigentlich klar, was in diesem Fall droht? Wenn plötzlich vertragslose Zustände herrschen, dann stehen Notvergaben an, es gibt einen Investitionsstopp – aus Sicht der Deutschen Bahn dann völlig zurecht – und dann blutet das Unternehmen wegen Perspektivlosigkeit wirklich aus; welcher Mitarbeiter bleibt denn dann bis zum bitteren Ende?

Überhaupt ist es seltsam, wie sich gerade die EVG verhält. Man merkt an dieser Stelle deutlich, dass hier noch die alte Transnet drinsteckt. Es dürfte in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wohl ein zumindest sehr ungewöhnlicher Vorgang sein, dass eine große DGB-Gewerkschaft eine Landesregierung zu einem Rechtsbruch auffordert und nichts anderes wäre eine Direktvergabe an die Deutsche Bahn.

Darüber hinaus muss auch die Politik ganz klar Farbe bekennen. Das Interesse von mehr als drei Millionen Menschen im Einzugsbereich der S-Bahn an einer möglichst schnellen Rückkehr zum Regelfahrplan ist wichtiger als die Befürchtungen von weniger als dreitausend Mitarbeitern des derzeitigen Schlechtleisters, auch wenn die Leute nichts dafür können. Aber Eisenbahn ist Daseinsvorsorge und Mobilitätsdienstleister für die Allgemeinheit – und keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.

Deshalb Ja zur Ausschreibung!

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