Bitte nur vorne einsteigen
21.02.12 (Hamburg) Autor:Jürgen Eikelberg
Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) hat in einem Pilotprojekt den Vordereinstieg in Bussen im Bergedorfer und Harburger Raum seit dem 7. März 2011 getestet. Das Ergebnis war so positiv, dass es nun auf den gesamten Verbundraum des HVV ausgeweitet wird.
Der Einstieg vorn ist Teil des seit Ende 2010 praktizierten HVV-Fahrkartenprüfkonzepts zur Reduzierung des Schwarzfahrens, das – nach aktueller Schätzung – rund 24 Mio. Euro jährlichen Einnahmeverlust verursacht. Im Schnitt wurden in den vergangenen Jahren bei Fahrkartenprüfungen 3 bis 3,5 Prozent der Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis angetroffen. Im Busbereich zeigte sich zudem ein überdurchschnittlich hoher Schwarzfahreranteil, gegen den es im Interesse der zahlenden Fahrgäste vorzugehen galt. In der Folge hat der HVV die Prüfvorgaben im Busbereich um 50 Prozent erhöht, eine intensivere Zusammenarbeit der Unternehmensprüfdienste bei Schwerpunktkontrollen organisiert und den Einstieg vorn als Pilotprojekt gestartet.
Der Vorher-Nachher-Vergleich im Pilotgebiet ergab daraufhin eine Reduzierung der Schwarzfahrerquote von 4,8 auf 1,9 Prozent in Bergedorf und von 6,6 auf 1,7 Prozent in Harburg. Analog dazu konnten die Einnahmeverluste in einem Jahr um rund drei Millionen Euro reduziert werden. Lutz Aigner, Geschäftsführer des Hamburger Verkehrsverbundes GmbH: „Damit hat das Pilotprojekt unsere Erwartungen noch übertroffen, denn wir hatten mit zwei Millionen Euro gerechnet. Die Reduzierung von Verlusten durch Schwarzfahren ist unerlässlich, denn angesichts der stetig steigenden HVV-Fahrgastzahlen wird jeder Cent für den Erhalt und Ausbau unserer Angebotsqualität benötigt.“
Die Erfahrungen des Pilotprojekts zeigten außerdem, dass der Vorneeinstieg in der Praxis gut klappt. Die Fahrgäste haben sich schnell umgestellt; zu den von einigen Skeptikern befürchteten Fahrzeitverlängerungen ist es nicht gekommen. Oft klappt es mit dem Vorneeinstieg sogar schneller als mit der alten Regelung. Nur wenn an einer Haltestelle mit vielen Fahrgästen der Ein- oder der Aussteigeranteil deutlich überwiegt, kann es zu Verzögerungen kommen, die aber in der Summe durch den schnelleren Fahrgastwechsel an anderen Haltestellen ausgeglichen werden. „Der Einstieg vorn hat uns in allen Punkten überzeugt. Anfängliche Bedenken konnten schnell ausgeräumt werden. Auch der Umgang zwischen Fahrgästen und Fahrern ist erfreulich – man hat sich jetzt wieder im Blick“, sagt Ulrich Sieg, Vorstandsmitglied der Hamburger Hochbahn AG.
Ab 5. März gilt der Einstieg vorn nun auf allen Buslinien – einzige Ausnahmen sind die im Innenstadtbereich besonders stark belasteten Metrobuslinien 4, 5 und 6; hier gilt der Vorneeinstieg weiterhin erst ab 21 Uhr und am Sonntag ganztägig. Außerdem können Fahrgäste mit Kinderwagen, Rollstuhl oder Gehhilfen weiterhin auf allen Linien an den hinteren Türen einsteigen.
Auch für das Ausweitungsgebiet erwartet der HVV eine deutliche Senkung der Schwarzfahrerquote und eine Einnahmesteigerung. Zusammen mit den weiteren Maßnahmen des Fahrkartenprüfkonzepts rechnet der HVV mit einer Reduzierung des Einnahmeverlusts von mindestens 6 Millionen Euro für das gesamte Gebiet. Ebenso wie im Pilotgebiet wird im jetzt hinzukommenden Gebiet während des ersten Jahres ein Vorher-Nachher-Vergleich die Veränderung der Schwarzfahrer-quote und Einnahmen sowie die Kundenmeinung dokumentieren.
Bild: HVV