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Stuttgart 21 – oder: Wie verhindert man ein ungeliebtes Bauprojekt.

03.01.12 (Stuttgart) Autor:Jürgen Eikelberg

Das Projekt Stuttgart 21 wurde über Jahre hinweg geplant. Frühere Bürgereinwände scheiterten auch vor den Gerichten. Im Zuge des Baubeginns kam es zu teilweise gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt. In einer Schlichtung wurden Argumente über die Leistungsfähigkeit des alten Kopfbahnhofs und des unterirdischen Tunnelbahnhofs ausgetauscht. Ein geforderter Stresstest wurde durchgeführt – aber von den Gegnern nicht anerkannt. Bei der Landtagswahl errangen die Grünen, als erklärte Gegner von S21 die Mehrheit und regieren mit der SPD, die zum Teil Befürworter des Tunnelbahnhofs in ihren Reihen hat.

In einer Volksabstimmung votierte die Mehrheit der Wähler gegen das Ausstiegsgesetz zur finanziellen Mitbeteiligung des Landes Baden-Württemberg. Selbstverständlich wurde das Ergebnis der Volksabstimmung von den Gegnern kritisiert. Viele Wähler hätten gar nicht verstanden, das es nicht um das Projekt Stuttgart 21, sondern um den Ausstieg der Mitfinanzierung des Landes ging und damit irrtümlich „falsch“ abgestimmt hätten. Dabei war das „Ausstiegsgesetz“ auch nur eine Krücke, um das Projekt zu verhindern. Es sollte bei Erfolg lediglich die Deutsche Bahn und den Bund zwingen, aus finanziellen Gründen aus dem Projekt auszusteigen. Nach dieser Niederlage erklärte der Ministerpräsident Winfried Kretzschmann (Grüne) er werde das Baurecht der Deutschen Bahn durchsetzen.

Doch die Gegner wollen nicht aufgeben. Nach einer Klage des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (B.U.N.D.) hat ein Gericht zunächst verfügt, das das die Änderung des Grundwassermanagements nicht rechtens sei und der Verband angehört werden müsse. Auch um das Fällen von Bäumen im Schloßgarten gibt es weiter Streit. Diesmal ist der Übeltäter das Eisenbahn-Bundesamt, das am 5. Oktober 2010 das Fällen unter einer Androhung eines Zwangsgeldes von 250.000 Euro verboten hatte. Sie verlangt von der Bahn Schritte zum Schutz des dort vermuteten Juchtenkäfers und von Fledermäusen und Hohltauben. Einen Beweis für die Existenz bleiben die Gegner aber schuldig. Hier bewegt sich das Amt auf dem Boden bestehender Umweltschutzgesetze, wo eine Vermutung zur Existenz ausreicht. Zwar habe die Bahn die Unterlagen jetzt eingereicht und „Fachleute“ aus dem Eisenbahn-Bundesamt würden die Vorschläge jetzt prüfen. Doch hat das Eisenbahn-Bundesamt genug Biologen, um das richtig beurteilen zu können? Wie siedelt man einen Juchtenkäfer um? Es geht um 91 Bäume, die eigentlich ab Mitte Januar gefällt werden müssten. Danach beginnt die Vegetationsperiode und ein Fällen ist dann bis zum kommenden Winter nicht möglich. Darum versucht der B.U.N.D. den Rechtsstreit bis Ende Februar oder Anfang März hinzuziehen.

Im Schloßgarten haben sich seit einem Jahr mehrere Dutzend S-21 Gegner in einem nicht genehmigten, aber bislang geduldeten Tipi-Dorf und Baumhäusern (ist das eigentlich Umweltverträglich) einquartiert. Nach einer Verfügung der Stadt Stuttgart soll am 12. Januar 2012 die Räumung beginnen. Hier sollen noch einmal 176 Bäume gefällt werden, damit die Deutsche Bahn mit dem Aushub für den Trog für den geplanten Tiefbahnhof beginnen kann.

Doch es ist kaum anzunehmen, das die Besatzer so einfach verschwinden werden, denn genau diese Fällung der Bäume wollen sie verhindern. „Wir befinden uns in Alarmstimmung. Und wir werden uns weiterhin in den Weg stellen“, betont eine Sprecherin der Umweltschutzorganisation Robin Wood.

Auch die Behörden gehen auf Distanz. Der Stuttgarter Polizeipräsident Thomas Züfle: „Ein Einsatz zum jetzigen Zeitpunkt wäre teilweise fraglich, weil offenbar noch nicht alle Fragen zum Natur- und Artenschutz im Park geklärt sind.“ Noch deutlicher wird das Innenministerium: „Es kann nicht sein, dass die Polizei eine Baustelle schützt, die sich im Nachhinein als illegal erweist.“

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