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Tramgeschichten aus dem Heiligen Land

25.12.11 (Übrige Welt) Autor:Jürgen Eikelberg

Sie Mitte August 2011 gibt es sie, die Linie L 1, die mitten durch Jerusalem führt. Auf knapp 14 Kilometer führt sie vom Herzlberg (?? ???? Har Herzl), dem israelischen Nationalfriedhof, durch israelische und arabische Stadtviertel hinauf bis nach Pisgat Ze´ev (???? ???, Ze’evs Spitze), einer jüdische Siedlung im Osten Jerusalems.

Erst aussteigen lassen – dann einsteigen!“. Der Ruf des Trampersonals bleibt ungehört. Die Menschen drängen und schubsen um die Wette. Es kommt mitunter vor, das man nicht an der gewünschten Stelle aussteigen kann. Aber vielleicht müssen die Menschen das noch lernen.

Durch die rapide wachsende Bevölkerungszahl in Jerusalem wurden neue Verkehrskonzepte gebraucht. Auch die wachsende Zahl an Stadtautobahnen und Tunneln konnten das Problem des wachsenden Verkehrs nicht lösen. Der damalige Bürgermeister von Jerusalem, Ehud Olmert, versprach 1995, ein Straßenbahnsystem im Stadtzentrum zu bauen.

Connex Jerusalem Ltd., eine Tochter von Veolia Transportation und später Partner des CityPass-Konsortiums, das die Konzession für den Bau und Betrieb der ersten Straßenbahnlinie in Israel erhalten hat. Das CityPass-Konsortium wiederum, das heute der Konzessionär ist, setzt sich aus den Unternehmen Alstom (20 % der Anteile, Fahrzeuge, technische Ausrüstung), Ashtrom (27,5 %, israelischer Bau- und Immobilienkonzern), den Finanzierern Harel (20 %) und Polar Investments (17,5 %), dem Israel Infrastructure Funds (10 %) sowie Veolia Transportation (vormals Connex Jerusalem Ltd., 5 %) als Betreiber zusammen; der Vertrag für den Bahnbetrieb soll bis zum Jahr 2036 laufen. Unter Connex Jerusalem Ltd. wurde Citadis Israel gegründet, ein israelisches Unternehmen, das zu Alstom gehört und das mit dem Einbau, der Inbetriebnahme und Wartung der technischen Einrichtungen beauftragt wurde.

Acht Jahre hat der Bau der Strecke gedauert und die Großbaustelle trieben vor allem im Zentrum anliegende Geschäften fast in den Ruin. Immer wieder verzögerte sich die Fertigstellung – Archäologen mischten mit, außerdem trieben politische Streitereien und Fehlplanungen die Kosten bis in eine Höhe von rund 780 Millionen Euro.

Für die Strecke braucht die Bahn rund 90 Minuten, das ist gerade mal die doppelte Fußgängergeschwindigkeit. „Die Fahrt zu meiner Arbeitsstelle dauert manchmal bis zu 30 Minuten! Mit dem Bus waren es sieben“, erzählt ein palästinensischer Israeli. „Es fühlt sich auch ein wenig an wie Europa“, sagt er. Die Fahrt kostet 6,40 Schekel, das sind umgerechnet 1,30 Euro.

Die Strecke führt an Geschäften und Restaurants vorbei und wenn man einen Sitzplatz ergattert hat, kann man das Treiben genussvoll betrachten.

So unterschiedlich die Bevölkerung Jerusalems ist, so sind es auch die Fahrgäste. Hier treffen Palästinenser, muslimische und christliche, auf Juden, Säkulare auf Gläubige, gemäßigt Gläubige auf Ultra-Orthodoxe, Touristen auf Einheimische. Streng Gläubige, Juden wie Moslems forderten eine Trennung nach Juden und Arabern, Männern und Frauen. Dies wurde vom Obersten Gerichtshof Israels abgewiesen. Eine Geschlechtertrennung in öffentlichen Verkehrsmitteln sei illegal.

Manchmal fährt auch die Angst mit, so wie bei einer orthodoxen jüdischen Mutter mit zwei Söhnen. In der Bahn lärmten einige arabische Jugendliche. Siedler sind in den arabischen Vierteln nicht sonderlich beliebt. Doch der zugestiegene Sicherheitsdienst zeigt Wirkung, sie werden leiser und nehmen die Füße von den Sitzbänken.

Für die arabische Seite ist der Streckenverlauf in nordöstlicher Richtung umstritten, sie befürchten durch die Bahn eine Manifestierung des israelischen Anspruchs auf Ost-Jerusalem. Die Israelis wiederum erklären ganz Jerusalem zur auf ewig unteilbaren Hauptstadt, in der überall gebaut werden dürfe: von Juden und Arabern.

Bild: MitigationMeasure, Lizenz: CC BY- SA 3.0

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