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Nordrhein-Westfalen führt Tariftreuegesetz ein – auch für den SPNV

20.12.11 (Nordrhein-Westfalen) Autor:Stefan Hennigfeld

In der letzten Woche hat der Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Mittelstand des Landtages ein Tariftreuegesetz auf den Weg gebracht, das auch für die anstehenden Ausschreibungen im SPNV gelten wird. Das Gesetz soll verhindern, dass sich beispielsweise die Deutsche Bahn mit einer „DB Heidekrautbahn GmbH“ auf Ausschreibungen bewirbt, einem Unternehmen, das sich damals für an keinen Tarifvertrag gebunden hielt.

Mit der später in „DB Regio Rheinland“ umfirmierten Heidekrautbahn, die Anfang 2011 in der DB Regio NRW GmbH aufgegangen ist, hat die Deutsche Bahn sowohl die Linie RE 9 als auch das Kölner Dieselnetz für sich entscheiden können. Auf Druck der Gewerkschaften zahlt man jedoch nach Konzerntarifvertrag. „Damit blieb der Bahn eine peinliche Niederlage gegen uns vor Gericht erspart, denn wir hätten die tarifvertragliche Bezahlung dort problemlos durchsetzen können“ sagt der nordrhein-westfälische GDL-Chef Frank Schmidt.

VRR-Geschäftsführer Martin Husmann weist darauf hin, dass faire Bezahlung im nordrhein-westfälischen SPNV bereits zum Standard gehört. „Auch ohne Tariftreuevorgaben hat im VRR bisher noch kein EVU einen Zuschlag erhalten, das nicht über einen wirksamen Tarifvertrag mit einer anerkannten Gewerkschaft verfügte.“

Dennoch hat die EVG-Vorfeldorganisation Mobifair bereits im letzten Jahr vor der VRR-Verwaltung in Gelsenkirchen eine Demonstration veranstaltet. Damals ging es um die Linie RB 43 von Dortmund nach Dorsten, die bis zu ihrer Rettung durch den VRR akut stilllegungsgefährdet war. Mit der neuerlichen Vergabe an die Nordwestbahn war zudem die Bezahlung nach einem fairen Tarifvertrag gewährleistet. Erst nach der Rettung der Strecke trat Mobifair auf den Plan.

Auch außerhalb Nordrhein-Westfalens hat die Deutsche Bahn versucht, Tariftreueregelungen zu umgehen. Bei der Ausschreibung der S-Bahn Bremen beispielsweise war die Zahlung nach Eisenbahnertarifvertrag vorgesehen. Dieselbe DB Heidekrautbahn zog dagegen juristisch zu Felde; sie argumentierte, die Bezahlung nach Tarifvertrag sei ihr nicht zumutbar. Die Vergabe an die Nordwestbahn wurde erst vom Oberlandesgericht Celle bestätigt. „Auf eine Reaktion von der EVG und Mobifair wartete man vergeblich. Offensichtlich hat man dort weniger ein Problem mit Dumpinglöhnen, sondern eher mit Privatbahnen,“ so Frank Schmidt.

„Manche Sachen sind schon arg unverständlich“, sagt Frank Schmidt. „Die größte Existenzbedrohung für unsere Betriebseisenbahner sind Streckenstilllegungen. Wir haben einen Flächentarifvertrag für Equal Pay abgeschlossen, wir haben einen Betreiberwechseltarifvertrag, um das Personal bei Neuvergaben abzusichern, nur wenn Verkehre ersatzlos gestrichen werden, stehen die Kollegen auf der Straße.“

Schmidt weiter: „Unser Hauptaugenmerk wird in den kommenden Jahren auf Angebotssicherung im Personenverkehr liegen. Mit etwas bösem Willen könnte man der EVG unterstellen, dass sie für Streckenschließungen, aber gegen Wettbewerb ist. Bei uns ist es genau andersrum. Wir wollen den Wettbewerb, denn er ist Grundvoraussetzung für ein solides Angebot. Die Schuldenbremse im Grundgesetz und immer neue Debatten um Steuersenkungen sorgen dafür, dass das Geld knapper wird. Man muss also möglichst viel aus dem zur Verfügung stehenden Etat raus holen – das geht nur mit hohem Wettbewerbsdruck für die Verkehrsunternehmen.“

Dazu gehört auch, dass sich bei Ausschreibungen möglichst viele Bieter bewerben. Durch das hohe Vergabevolumen, das in den kommenden Jahren zum Standard werden wird, bewerben sich Eisenbahnverkehrsunternehmen nur noch dort, wo sie ihrer eigenen Einschätzung zufolge gewinnen können. Die Teilnahme an Wettbewerbsverfahren ist kostspielig.

„Für funktionierenden Wettbewerb ist das Vorhandensein zahlreicher leistungsfähiger Bieter sowie handlungsfähiger und flexibler Aufgabenträgerorganisationen erforderlich. Beispielhaft sei hier auf das VRR-Fahrzeugfinanzierungsmodell verwiesen, das mittelständische Unternehmen erst in die Lage versetzt, am Wettbewerb teilzunehmen,“ so Martin Husmann.

Während die Deutsche Bahn aufgrund ihrer Eigenschaft als Staatskonzern, der zudem die Macht über die Infrastruktur hat, dieselben Kreditkonditionen bekommt wie der deutsche Staat selbst, haben private Marktspieler hier Probleme. Deswegen soll das VRR-Finanzierungsmodell die hohe Kreditwürdigkeit der öffentlichen Hand allen Marktspielern zur Verfügung stellen und gewährleisten, dass Ausschreibungen nicht an den Launen der Finanzmärkte scheitern.

Husmann: „Diese Voraussetzung wird allerdings durch das vorgesehene Tariftreuegesetz in Gänze konterkariert, da zu befürchten ist, dass die Wettbewerber wegen des zusätzlichen Aufwands durch zahlreiche Prüfpflichten und angesichts hoher Vertragsstrafen, die bis zu einem dreijährigen Ausschluss von der Teilnahme am Wettbewerb führen können, lieber einen großen Bogen um Nordrhein-Westfalen machen.“

Dieser Ansicht widerspricht Frank Schmidt in Teilen: „Alle im nordrhein-westfälischen SPNV aktiven Eisenbahnverkehrsunternehmen zahlen faire Löhne auf der Basis vernünftiger Tarifverträge. Es gibt kein Lohndumping. Ohne mich im Detail zum jetzt einzuführenden Gesetz zu äußern, bei allem möglicherweise bestehenden Nachbesserungsbedarf, unsere Tarifpartner hier vor Ort müssen vor Billigheimern geschützt werden.“

Schmidt: „Das ist auch im Interesse der Aufgabenträger. Wie soll man also gewährleisten, dass ein neues Unternehmen auch Mitarbeiter kriegt? Es gibt bereits heute einen riesigen Lokführermangel, der sich in den nächsten Jahren dramatisieren wird. Gerade deshalb müssen die Besteller ihre Erfahrungswerte umsetzen und Zugausfälle wegen Personalmangel entsprechend pönalisieren – in extremen Fällen bis hin zur Ersatzvornahme. Es gibt in Nordrhein-Westfalen eine Privatbahn, die ihre vertraglichen Pflichten wegen zu wenig Personal bereits seit Monaten nicht mehr erfüllt und ihre Kunden im Regen stehen lässt. Hier muss es wirksame Sanktionsmöglichkeiten geben, die über ´Geld kürzen´ hinausgehen.“

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