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Stuttgarter Netz AG steht bereit, bei Desinteresse der Deutschen Bahn die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm zu bauen

03.11.11 (Baden-Württemberg) Autor:Niklas Luerßen

Die Stuttgarter Netz AG (SNAG) erklärt ihr Interesse, die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm zu bauen, sofern die Deutsche Bahn AG (DB) daran kein Interesse mehr haben sollte. Da die Finanzierung der Neubaustrecke ausschließlich aus Bundes- und Landesmitteln erfolgt, würde für die SNAG auch kein Finanzierungsrisiko bestehen. Am 1. November äußerte sich der Vorstandsvorsitzende der DB, Dr. Rüdiger Grube, dahingehend, dass es „eine Neubautrasse Ulm-Wendlingen ohne Stuttgart 21 definitiv nicht geben wird. Es gäbe auch keinen Bauherrn, der die Strecke ohne Stuttgart 21 realisieren würde. Es ist eine Mär, der Bevölkerung etwas anderes zu erzählen.“

Torsten Sewerin, Vorstand der SNAG: „Die DB AG erhält für jede Neubaumaßnahme 16% bis 23% Planungskostenpauschale. Das wären bei 2,7 Milliarden Euro geplanter Baukosten 430 bis 620 Millionen Euro an Planungskosten. Für 300 Millionen Euro Planungskosten würden wir das Vorhaben umsetzen – da würden die Projektträger also 130 bis 320 Millionen Euro sparen. Wie viele Schulen könnten mit diesem Geld saniert werden?“

Simon Scherer, Vorstand der SNAG: „Da sieht man wieder einmal, dass Private es für den Steuerzahler günstiger darstellen können. Das staatliche Monopolunternehmen ist hier ausschließlich auf Gewinnmaximierung um jeden Preis aus.“

Gründer der SNAG sind die NBE Group GmbH & Co. KG mit Sitz in Aschaffenburg, die SIS GmbH mit Sitz in Ellwangen/Jagst sowie die Privatpersonen Rainer Bohnet, Christian Dehns, Alexander Kirfel, Dirk Munder und Daniel Preis, die sämtlich in leitenden Positionen in der Eisenbahnbranche tätig sind. Ziel der SNAG ist es, für den Eisenbahnbetrieb wertvolle Infrastruktur weiter zu betreiben, die die DB AG zurückbauen möchte. Ausgangspunkt ist der Kopfbahnhof Stuttgart Hauptbahnhof. Die DB AG möchte hier im Zusammenwirken mit der Stadt Stuttgart einen betrieblichen Engpass bauen, der als künftiges Nadelöhr Auswirkungen auf das gesamte deutsche Eisenbahnnetz hätte. Um hier das Schlimmste zu verhindern, will die SNAG einige Bahnsteiggleise in Stuttgart Hbf sowie möglicherweise auch Teile des Abstellbahnhofs Rosenstein oberirdisch weiterbetreiben.

Die DB AG vertritt momentan die Auffassung, sie müsse zwar für die Infrastruktur im Bereich Stuttgart Hbf ein sogenanntes Freistellungsverfahren gemäß §23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) durchführen, aber kein Stilllegungsverfahren nach §11 AEG. Im Zuge des Stilllegungsverfahrens nach §11 AEG muss das Infrastrukturunternehmen Streckeninfrastruktur, die es nicht weiter betreiben möchte, mindestens durchgehend drei Monate lang zur Abgabe an Dritte ausschreiben, die den Betrieb unterbrechungsfrei weiterführen möchten.

Zur Klärung dieser Rechtsfrage wird die SNAG bis spätestens Jahresbeginn 2012 Feststellungsklage bei dem Verwaltungsgericht Köln einlegen. Die Klage richtet sich gegen das Eisenbahn-Bundesamt als zuständige Aufsichtsbehörde. Derzeit befindet sich die Klageschrift in Arbeit.

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