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GDL prüft Klage gegen Stuttgart 21 – Bahn weist Vorwürfe entschieden zurück

26.11.11 (Stuttgart, Verkehrspolitik) Autor:Niklas Luerßen

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) prüft die Einreichung einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof, um die Frage zu klären, ob die Umgehung bestehender TSI-Normen (Technische Spezifikation für den Hochgeschwindigkeitsverkehr) durch die Definition der Deutschen Bahn dieser Baumaßnahme als Umbau und nicht als Neubau statthaft ist. Die Deutsche Bahn AG widerspricht den Aussagen des Bundesvorsitzenden der GDL, Claus Weselsky, aufs Schärfste.

Der neue Stuttgarter Hauptbahnhof soll mit einer Gleislängsneigung von 15 Promille gebaut werden. Damit besteht auf einer normalen Bahnsteiglänge von 400 Metern ein Höhenunterschied von sechs Metern. Der Stresstest hat zudem ergeben, dass die notwendige Bahnhofskapazität nur dann erreicht werden kann, wenn sogenannte Doppeleinfahrten in ein Gleis vorgenommen werden. „Das war für uns völlig neu“, so der Bundesvorsitzende der GDL. Damit werden Züge trotz der erheblichen Gleislängsneigung in bereits besetzte Gleise einfahren. „Das birgt stets ein gewisses Risiko“, so Weselsky weiter. „Es gibt bisher kein mit uns als zuständigen Berufsverband für Lokomotivführer abgestimmtes Sicherheitskonzept zur Einfahrt in den neuen geplanten Stuttgarter Tiefbahnhof. Auch eventuell notwendige zusätzliche technische Ausrüstungen der Züge, die ein außerplanmäßiges Wegrollen der Züge sicher verhindern, sind uns bisher nicht bekannt. Damit wird die Verantwortung alleine auf die Lokomotivführer verlagert, was völlig unzulässig ist.“

Die bestehende nationale Vorschrift, die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung (EBO) sieht ein maximales Gefälle bei Bahnhöfen von 2,5 Promille vor. Es handelt sich dabei um jahrzehntelange Erfahrungswerte, die deshalb nicht überschritten werden sollen. Die TSI geht sogar noch weiter und schreibt verbindlich vor, dass die Neigung von Gleisen an Fahrgastbahnsteigen 2,5 Promille nicht überschreiten darf. „Dass man deshalb zur Umgehung dieser TSI-Norm Stuttgart 21 nicht als Neubau, sondern lediglich als Umbau kategorisiert, ist schlichtweg ein Unding und dient keineswegs der Sicherheit“, so Weselsky. „Scheinbar besteht ein Zusammenhang mit den Zusagen der Deutschen Bahn zu den Maximalkosten des Bahnhofsneubaus im Rahmen der Schlichtung. Der Bahnhof ließe sich wohl auch in den zulässigen Grenzwerten realisieren, allerdings zu wesentlich höheren Kosten. […] Wir haben den Schutz unserer Mitglieder zu wahren, die beim bestehenden Bahnhofskonzept einem wesentlich höheren Haftungsrisiko ausgesetzt werden.“

Wolfgang Dietrich, Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm: „Das Eisenbahn-Bundesamt sieht in der Längsneigung der Gleise keinerlei Gefährdung für einen sicheren Eisenbahnbetrieb. Ansonsten hätte die Aufsichtsbehörde der Bahn hierfür niemals eine Genehmigung erteilt. Die Deutsche Bahn hat die notwendigen Vorkehrungen zur Gewährleistung der Sicherheit überzeugend dargestellt. Deshalb ist die immer wiederkehrende Sicherheitsdiskussion vollkommen überflüssig.“

Richtig ist, dass der neue Stuttgarter Hauptbahnhof im Nordbereich den bestehenden S-Bahn-Tunnel über- und im Südbereich die Stadtbahn unterqueren muss. Dadurch ergibt sich eine Längsneigung der Gleise von bis zu 15 Promille. Das Betriebsprogramm für Stuttgart Hauptbahnhof sieht nur ein Einfahren, Halten und Abfahren der Züge vor. Der Bahnhof hat keine Zugbildungsfunktionen, das heißt, dass Lokomotive und Wagen eines Zuges immer eine Einheit bleiben. Der sichere Stand des Zuges wird darüber hinaus durch ein halbes Dutzend technischer Sicherheitseinrichtungen überwacht. Bei den Doppelbelegungen der Bahnsteige wird der erste Zug im Gleis durch ein Zugdeckungssignal geschützt.

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