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GDL: Die Streiks werden weniger – aber nicht überall

03.11.11 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

Die GDL ist auf ihrem Weg zum angestrebten bundesweit gültigen Rahmentarifvertrag für Lokomotivführer bereits sehr weit gekommen. Nachdem sich die G 6 (Abellio, Benex, Hessische Landesbahn, Keolis, Netinera und Veolia Verkehr) als Verhandlungsgemeinschaft aufgelöst haben, fanden die Gespräche einzeln statt. Es gab Einigungen und Schlichtungsverfahren, aber noch immer gibt es – zum Leid der Fahrgäste – gescheiterte Verhandlungen und Streiks. Wie sieht der Status Quo aus?

Mit Keolis, einem Unternehmen, das unter der Marke Eurobahn SPNV-Leistungen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen betreibt, gab es bereits sehr früh Annäherungen, so dass die Verhandlungen nach wenigen Streiktagen aufgenommen worden sind. Mittlerweile hat man sich geeinigt und einen Tarifvertrag abgeschlossen.

Ein zweischneidiges Schwert ist es bei Abellio und Veolia. Abellio Rail NRW wurde zunächst zwar bestreikt, wegen der geringen Resonanz hat man davon jedoch zunächst abgesehen. Für Frank Schmidt, Bezirksvorsitzender der GDL in Nordrhein-Westfalen, ist jedoch auf lange Sicht nichts verloren: „Derzeit hat Abellio rund sechzig Lokführer, mit der Betriebsaufnahme der Linie RB 47 in zwei Jahren werden 45 weitere eingestellt. Wir rechnen, gerade im Hinblick auf die vielen laufenden und unmittelbar bevorstehenden Ausschreibungen in VRR und NWL, mit einem exponentiellen Wachstum des Unternehmens in den nächsten fünf Jahren. Vor diesem Hintergrund werden die Karten schon in naher Zukunft neu gemischt werden.“

Anders sieht es bei der Westfalenbahn aus, auch hier sitzt Abellio als einer von vier Gesellschaftern mit im Boot. Dort waren die Streiks heftiger – es gab jedoch auch Verhandlungen und Annäherungen. Vorbehaltlich der Zustimmung durch die Gesellschafterversammlung wird der neue Tarifvertrag ohne Streiks eingeführt. Schmidt: „Das setzt natürlich auch die EVG unter Druck, bei Abellio dafür zu sorgen, dass die Leute mit ähnlich viel Geld nach Hause gehen. Sonst laufen die Mitarbeiter bereits kurzfristig in Scharen zur GDL.“

Auch bei Veolia gibt es keine Verhandlungen. Bei der Nord-Ostsee-Bahn und dem Harz-Elbe-Express wird gestreikt – mit teilweise sehr schweren Folgen. Erst vor einigen Tagen forderte der schleswig-holsteinische Verkehrsminister Jost de Jager (CDU) die Tarifparteien zu weiteren Verhandlungen auf. Da es aber einen Notfahrplan gibt, ist die Politik nicht in der Lage, selbst ins Geschehen einzugreifen. Fahrgäste müssen sich weiterhin auf Ausfälle und Verspätungen einstellen.

Auch die Nordwestbahn und die Düsseldorfer Regiobahn gehören zu Veolia. Streiks blieben ohne nennenswerte Resonanz. Dazu Frank Schmidt: „Insbesondere die Nordwestbahn hat bereits jetzt mit Zugausfällen zu kämpfen. So war es beispielsweise im Münsterland wochenlang Thema, dass Schulkinder morgens hilflos am Bahnsteig standen, weil kein Zug gekommen ist. Das Unternehmen wird sich überlegen müssen, wie es seinen Lokführermangel in den Griff bekommt. Die demographische Entwicklung wird das verfügbare Personal weiter verknappen, Lokführer in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen können sich ihren Arbeitgeber heute schon aussuchen. Wenn andere Arbeitgeber attraktiver sind, dann gehen die Leute eben. Im Interesse der Kunden kann ich nur hoffen, dass die Aufgabenträger der Nordwestbahn auf den Zahn fühlen werden.“

Wie es bei der Hessischen Landesbahn weitergeht, ist offen. Verhandlungen finden keine statt, der Zustand gilt als gescheitert. Erst im September wurde vier Wochen am Stück gestreikt. Obwohl das Unternehmen vollständig im Besitz des Landes ist, kommt von der schwarz-gelben Landesregierung keinerlei öffentlich erkennbare Bestrebung, im Interesse der Fahrgäste an einer Lösungsfindung mitzuarbeiten. Bei der HLB und bei Cantus sind daher weitere Streiks zu erwarten – auch kurzfristig.

Bei Benex gibt es zwar noch keine Ergebnisse, dafür jedoch ein Schlichtungsverfahren, das erst in dieser Woche verlängert worden ist. Man kann davon ausgehen, dass es mit einer Einigung endet. Das betrifft die Ostdeutsche Eisenbahngesellschaft (ODEG), den Metronom und Vectus. Beim Metronom und der ODEG ist jedoch auch Netinera beteiligt, das Unternehmen, das aus dem Deutschland-Geschäft des früheren Arriva-Konzerns hervorging.

Netinera fährt mit der Prignitzer Eisenbahn SPNV-Leistungen in Nordrhein-Westfalen. Noch; denn in wenigen Wochen wird das Unternehmen auch die letzte Zugleistung wieder ab DB Regio NRW abgeben. „Gerade in einem solchen Fall braucht man aber den Betreiberwechseltarifvertrag“, so Frank Schmidt. „Natürlich wird versucht, Personal im Sinne des EVG-Branchentarifvertrages für den SPNV zu DB Regio zu vermitteln, jedoch bestehen zahlreiche Kolleginnen und Kollegen den Eignungstest nicht, weil sie jahrelang keinerlei Weiterbildungsmaßnahmen genossen haben. Gerade deswegen legen wir so großen Wert auf Qualifikations- und Ausbildungsstandards, um solche Situationen zu vermeiden.“

Nicht nur beim Ausbildungs-, sondern auch beim Lohnniveau sollen die Bedingungen beim Marktführer Deutsche Bahn auch für Triebfahrzeugführer aller anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland gelten. Darüber hinaus strebt die GDL innerbetriebliche Auffangregelungen für Fahrdienstuntauglichkeit sowie verbindliche Vereinbarungen zum Personalübergang bei Betreiberwechseln an.

Insbesondere letzteres regelt die Marktsituation jedoch größtenteils von selbst. Wenn Eisenbahnverkehrsunternehmen händeringend Triebfahrzeugführer suchen, dann werden sie ihr Personal auch dann zu halten versuchen, wenn sie eine Ausschreibung verlieren. Die demographische Entwicklung und die Massenauswanderung hochqualifizierter junger Leute macht auch vor der Eisenbahn nicht Halt.

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