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VCD: Stuttgart 21 verstößt gegen EU-Richtlinien

28.10.11 (Stuttgart) Autor:Niklas Luerßen

Mit seinem um mehr als 500% vom zulässigen Regelwert abweichenden Gefälle steht Stuttgart 21 auch im Widerspruch zu den Europäischen Richtlinien für den grenzüberschreitenden Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV), stellt der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) e.V. fest. „Der neue Stuttgarter Tiefbahnhof im Herzen Europas auf der Magistrale für Europa verstößt klar gegen die europäischen Interoperabilitätsvorschriften (TSI) – sie dienen dazu, einen durchgängigen, grenzüberschreitenden Bahnverkehr zu ermöglichen“, erklärt Matthias Lieb und verweist auf ein Schreiben der EU-Kommission an Michael Cramer, Mitglied des Europäischen Parlaments. Darin werde klargestellt, dass eine EU-Ausnahmeregelung (sogenannte Strecken der Kategorie 3) nur für schon gebaute Strecken gelte. Im Vergleich zur deutschen Soll-Regelung dürfen laut EU-Vorschrift neu zu bauende transeuropäische HGV-Strecken eine maximale Bahnsteigneigung von 2,5 Promille nicht überschreiten. In Anbetracht solch restriktiver EU-Vorgaben dränge sich die Frage auf, wie für Stuttgart 21 dennoch eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden konnte, gibt Matthias Lieb zu bedenken.

Mit Stuttgart 21 soll erstmals in Deutschland ein Bahnhof mit Gleisen und Bahnsteigen im Gefälle gebaut werden – die deutschen Vorschriften schreiben als Sollwert eine Obergrenze von 2,5 Promille Gefälle vor – beim Stuttgarter Tiefbahnhof sind über 15 Promille Gefälle geplant. Der Grenzwert wird also um mehr als das Sechsfache überschritten. „Mit dieser Schräglage des Bahnhofs wird leichtfertig ein sicherer Eisenbahnbetrieb auf Spiel gesetzt“, kritisiert VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb die Planung zu Stuttgart 21. Als mögliche Gefährdungen nennt der VCD, dass sich in einem schräg geneigten Bahnhof Kinderwagen und Rollstühle selbstständig machen könnten, außerdem könnten sich Züge nach dem Halt wieder selbsttätig in Bewegung setzen, sofern die Bremsen nicht angezogen seien – im Fall der Doppelbelegung wären auch Auffahrunfälle aufgrund fehlerhafter Bremsung durch den Lokführer möglich.

Angesichts dieser Verstöße gegen EU-Recht könne die Bahn keinerlei Schadensatz bei einem Abbruch von Stuttgart 21 geltend machen, stellt Matthias Lieb klar. Vielmehr müsste die DB selbst daran interessiert sein, sichere Bahnhöfe zu bauen und zu betreiben. Im Gegensatz zu Stuttgart 21 sei der bestehende Kopfbahnhof schon heute europatauglich wie die TGV- und ICE-Züge täglich zeigen würden, betont der VCD-Vorsitzende.

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