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Schwere Kritik am Eisenbahnbundesamt

27.10.11 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es scheint in den letzten Jahren, als hätte man sich an verspätete Betriebsaufnahmen gewöhnt. So ist beispielsweise der E-Talent 2 für DB Regio seit langer Zeit überfällig: An der Sieg, an der Mosel, in ganz Deutschland wartet man vergeblich auf die Zulassung durch das Bonner Eisenbahnbundesamt. Und das steht in der Kritik. Unumstritten war es nie – und den Weg zur gesunden Mitte scheint man noch nicht so ganz gefunden zu haben.

Rückschau: Bis 2008 war Armin Keppel Präsident des Eisenbahnbundesamtes. In einer Zeit, in der der Bundesverkehrsminister de facto dem allmächtigen Bahnchef Mehdorn unterstellt war, wurden Züge zugelassen, die nach heutigem Dafürhalten unvorstellbar wären. Die Türschließ- und -abfertigungstechnik der ET 423 bis ET 426 ist eine Katastrophe. Immer wieder hörte man, dass Kinder oder alte Leute eingeklemmt würden. Bis irgendjemand Strafanzeige erstattet hat.

Auf einmal liefen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Verantwortlichen in Bonn. Alle Verfahren wurden eingestellt, es gab keine Verurteilungen. Aber dennoch: Von nun an änderte sich alles. Seit 2009 steht Gerald Hörster an der Spitze der Behörde und insgesamt fiel sie von einem Extrem ins andere. Das hat aber den Vorteil, dass man über die Kritik, es gäbe vermeintliche „Bundesbahn-Seilschaften“, nun wahrlich erhaben ist.

„Ich habe oft den Eindruck, dass man bemüht ist, sämtlichen Vorurteilen über Beamte neue Nahrung zu geben“, sagt Alexander Kirfel, Geschäftsführer des Netzwerkes Privatbahnen. „Was hier läuft, schadet der Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger und behindert auch den Wettbewerb auf der Schiene.“

In Deutschland braucht jedes Eisenbahnverkehrsunternehmen eine Sicherheitsbescheinigung und ein Sicherheitsmanagementsystem. Kirfel: „Das kostet mehrere hunderttausend Euro und das Verfahren kann sich teilweise über zwei Jahre hinziehen. Für mittelständische Unternehmen oder gar Neugründungen ist das gar nicht darstellbar. Es führt auch dazu, dass Privatbahnen sich aus dem Drittnetzverkehr zurückziehen, dass sie also nur noch auf ihrer eigenen Infrastruktur fahren. Die Verden-Walsroder Eisenbahn hat das Ende 2010 getan.“

Die Monopolkommission bestätigt Kirfels Ansicht in ihrem aktuellen Sondergutachten zur Eisenbahnregulierung. Dort heißt es: „Für die Mitarbeiter des Bundesamtes bestehen Anreize für kundenorientiertes Handeln daher hauptsächlich aufgrund intrinsischer Motivation. Deshalb können sie kaum Interesse daran haben, möglichst viele Schienenfahrzeuge zuzulassen und Eisenbahnunternehmen die Teilnahme am Eisenbahnbetrieb in Deutschland zu gewähren.“

Es werden auch Lösungsvorschläge aufgezeichnet: „Eine Möglichkeit zur Dynamisierung der Sicherheitsprüfungen unter Aufrechterhaltung der Sicherheitsstandards liegt in der Übertragung von einzelnen Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes an privatwirtschaftliche Organisationen. Staatlich kontrollierte und akkreditierte technische Prüforganisationen könnten in gewissem Umfang hoheitliche Aufgaben übertragen bekommen, wie dies in anderen Bereichen beispielsweise durch technische Überwachungsvereine bereits seit Jahrzehnten erfolgreich geschehen ist.“

Weiter schreibt die Monopolkommission: „Diese Prüforganisationen könnten auf einigen Arbeitsgebieten eigenständig am Markt agieren und untereinander im Wettbewerb stehen. Dadurch wären die Überwachungsstellen an einem funktionierenden Wettbewerb der Eisenbahnverkehrsunternehmen interessiert. Nach Auffassung der Monopolkommission kann dieses kundenorientierte Arbeiten wie in anderen Bereichen so ausgestaltet werden, dass die Sicherheit des Betriebs nicht darunter leidet.“

Das bedeutet im Klartext: Nicht mehr das Eisenbahnbundesamt sollte für die Sicherheit zuständig sein, sondern privatwirtschaftliche, allerdings staatlich geprüfte Unternehmen. „Das ist im Straßenverkehr nicht anders“, sagt Alexander Kirfel. „Weder TÜV noch Dekra sind staatliche Gesellschaften. Trotzdem ist deren Unabhängigkeit völlig ungefährdet.“

„Wir müssen die intermodalen Wettbewerbsbedingungen im Interesse der Schiene verbessern“, so Kirfel. „Wenn unabhängige Prüffirmen nach vom Eisenbahnbundesamt festgelegten Prüfkriterien, prüfen bzw. vorab zertifizieren, hätten alle Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland (einschließlich DB-Konzernunternehmen) und die Bahnindustrie gewonnen, weil die Prozesse schneller laufen.“

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