Der Niedergang des InterCity auf der Moselstrecke – und was wirklich dahintersteckt
24.10.11 (Fernverkehr, Rheinland-Pfalz, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Ab Dezember wird der Fernverkehr auf der Moselstrecke zwischen Koblenz und Trier auf wenige Fahrten am Tag ausgedünnt. Wo einst im Zweistundentakt der InterCity an die Nordsee fuhr, wird es bald so gut wie kein verlässliches Angebot mehr geben. DB Fernverkehr wollte weiterfahren – aber nur gegen Bares. Die Unsitte, den SPFV aus den Regionalisierungsgeldern zu alimentieren, wurde in Niedersachsen hoffähig gemacht und sollte auf Rheinland-Pfalz ausgedehnt werden.
Rund sechs Millionen Euro wollte DB Fernverkehr für die Zeit von Dezember 2011 bis Dezember 2014 vom Land haben, um weiterhin den InterCity zu betreiben. Warum der Zug ausgerechnet in diesem Moment unwirtschaftlich wurde – schließlich wird man da ja nicht über Jahre Geld verbrannt haben – darüber schweigt sich die Pressestelle der Deutschen Bahn aus. Verständlicherweise will man die tatsächlichen Hintergründe nicht in der Öffentlichkeit haben.
Zunächst einmal droht ein neues Winterchaos. Durch das Fehlen des E-Talent 2 und die nach wie vor verkürzten Wartungsintervalle einiger ICE-Triebzüge ist das Unternehmen auf den anstehenden Winter genau so schlecht vorbereitet wie auf den letzten. Das kann man den heute verantwortlichen Personen nicht einmal zum Vorwurf machen, Rüdiger Grube muss das Chaos verwalten, das ihm sein Vorgänger bei der Vorbereitung des missglückten Börsenganges hinterlassen hat. Auch er kann kein zusätzliches Rollmaterial herbeizaubern.
Es werden also mehr Fernzüge gebraucht, und dazu gehört auch, dass man auf der Moselstrecke den Fernverkehr quasi einstellt. Dass der InterCity aus Norden kommend auch nicht mehr nach Koblenz fährt, sondern bereits in Köln endet, setzt zusätzliches Rollmaterial frei. Die dahinterstehende Strategie war ja leicht zu durchschauen: Man spekulierte auf einen öffentlich alimentierten InterCity, dessen Abschaffung in drei Jahren politisch nicht mehr durchsetzbar gewesen wäre. Die wettbewerbs- und ordnungspolitische Fragwürdigkeit dieses Modelles hätte, wie schon beim InterCity von Bremen an die Nordsee, nur einen kleinen Kreis an Fachleuten interessiert.
Geld, das man sicher gerne mitgenommen hätte. Aber die Entscheidungsträger bei DB Fernverkehr wissen: Dieser InterCity passt von seiner Fahrplanlage her vorne und hinten nicht in den Rheinland-Pfalz-Takt 2015 hinein. Die dortigen Verkehrsplaner sind bereits davon ausgegangen, dass der InterCity verschwindet und sehen im Nahverkehr seit jeher zusätzliche Züge zwischen Trier und Koblenz vor. Die sind auch anschluss- und fahrplantechnisch mit den übrigen Verbindungen im Land verknüpft, es ist „Nahverkehr aus einem Guss“. Dabei wird es auch keine Rolle spielen, wer am Ende fährt, solange die Aufgabenträger die Vorgaben machen.
Ein weiterer Punkt ist der bereits angesprochene E-Talent 2. Dieser ist seit einigen Jahren auch auf der Moselstrecke überfällig und sein Fehlen kostet DB Regio sehr viel Geld, denn die Besteller kürzen die Zuschüsse, wenn statt der bestellten Neufahrzeuge ältere Züge fahren. Mit subventioniertem Fernverkehr hätte man diese Lücke anderweitig schließen können. Die Doppelstrategie der Bahn ist deutlich erkennbar: Entweder Züge fürs Winterchaos freisetzen oder aber subventionierten Fernverkehr durchsetzen, öffentliche Subventionen ohne Wettbewerbsdruck kassieren.
Dazu kommt ein weiterer Punkt: DB Regio fährt auf der Moselstrecke in einem Nettovertrag, ist somit direkter Empfänger der Fahrgeldeinnahmen, auch im Nahverkehr. Das Verkehrsaufkommen wird aber nicht weniger, wenn der InterCity wegfällt. Sicher wird es Leute geben, die künftig mit dem Auto fahren, aber viele Fahrgäste werden auf den Regionalexpress umsteigen. Fahrgeld, das DB Regio zugute kommt; das die Pönale wegen des fehlenden E-Talent 2 zum Teil ausgleichen kann, zusätzlich zu den Regressforderungen, die man ohnehin an den Hersteller Bombardier hat. Die DB AG hätte also als Gesamtkonzern in jedem Fall profitiert.
Ob es gar Gespräche zwischen DB Fernverkehr und DB Regio gab, wonach DB Regio möglicherweise die zusätzlichen Fahrgeldeinnahmen bei der Angebotskalkulation mit einberechnen konnte, weil man wusste, dass der InterCity wegfällt, darüber kann nur spekuliert werden. Fakt ist jedenfalls, dass jeder private Marktspieler bei der Ausschreibung davon ausgehen musste, dass ein paralleler InterCity fährt. Niemand weiß, welche Informationen die Verantwortlichen von DB Regio hatten. Auch auf die Frage, was mit dem InterCity passiert wäre, wenn ein anderer Bieter die Ausschreibung für sich hätte entscheiden können, wird man wohl nie eine Antwort finden.
Das kann den Fahrgästen egal sein, wenn sie sich demnächst ab Köln in die Regionalzüge zwängen müssen. Durchgehend von der Nordsee an die Mosel, das ist vorbei. Der Rheinland-Pfalz-Takt 2015 wird in einigen Jahren Abhilfe schaffen. Vor allem auch deshalb, weil man dort hart bleibt: Es wird keinen subventionierten Fernverkehr geben, keinen aus dem Landeshaushalt alimentierten InterCity. Das Geld fließt voll und ganz in die Flächenerschließung, dem eigentlichen Verwendungszweck der Regionalisierungsgelder.
Nun ist natürlich auch der Fernverkehr Teil öffentlicher Daseinsvorsorge. Hier ist allerdings der Bund in der Pflicht. Dieser stellt sich – unter Schröder, wie auch unter Merkel – auf den Standpunkt, dass per definitionem überall da kein Verkehrsbedürfnis vorhanden sei, wo die DB AG nicht bereit ist, eigenwirtschaftlich zu fahren. Das InterCity-Konzept von Bremen an die Nordsee widerlegt diese These allerdings.
Trotzdem bleibt es, wie es ist: Jedes Jahr im Herbst kündigt die DB AG an, welche Fernverkehrsleistungen im Dezember eingestellt werden. Langfristige Verlässlichkeit gibt es nicht, es hat ein wenig was vom Nebenbahnkonzept der Deutschen Bundesbahn, auch hier wurde das Angebot so lange ausgedünnt, bis kaum noch jemand mitfuhr und es letztlich ganz eingestellt wurde. Es braucht ein Konzept auch für den SPFV. Die Lücke zwischen einigen wenigen Hochgeschwindigkeitsstrecken und dem Nahverkehr muss mit politischen Mitteln geschlossen werden.
Bild: Deutsche Bahn AG