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Deutschland im Takt – Tanzschule für die Eisenbahn

30.09.11 (Verkehrspolitik) Autor:Jürgen Eikelberg

Am 26. September 2011 fand in Berlin in Zusammenarbeit mit der Konrad Adenauer Stiftung die Tagung „Deutschland im Takt“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonenverkehrs (BAG – SPNV) statt. Bernhard Wewers, Präsident der BAG – SPNV erhofft sich von dem Projekt einen Deutschland-Takt für besseren Nahverkehr für die Fahrgäste.

Mitinitiatoren sind der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) durch ihre Referentin für Verkehrspolitik Heidi Tischmann, Hans Leister, Geschäftsführer von Keolis Deutschland (Eurobahn), Karl-Peter Naumann, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn und Andreas Schulz, Abteilungsleiter bei der Bayrischen Eisenbahngesellschaft (BEG).

Der integrale Taktfahrplan, der deutschlandweit gelten soll, bietet optimale Anschlüsse. Fahrgäste können bei einem integralen Taktfahrplan (ITF) darauf vertrauen, in den Hauptverkehrsrichtungen immer Anschluss zu haben. Dabei wird gern auf die wesentlich kleinere Schweiz verwiesen, dem Musterland des Schienenverkehrs.

In den 70er Jahren gab es in der Schweiz den Vorschlag, die Attraktivität des Bahnnetzes durch massive Investitionen in eine Hochgeschwindigkeitsachse im Ost-West-Verkehr zu stärken. Also das, was das um ein vielfach größere Frankreich mit seinem TGV plante und vollzog. Angesichts der Fläche der Schweiz von nur 6 Prozent zu Frankreich (und 11 Prozent zu Deutschland) ein sicherlich sinnloses Unterfangen. Die Entfernungen auf dieser Ost-West-Achse liegen bei weit unter 300 Km. Natürlich fiel die Abstimmung über dieses Projekt negativ aus, das Projekt wurde im basisdemokratischen Prozess abgelehnt. Ein Instrument, das übrigens weder in Frankreich noch in Deutschland vorhanden ist.

Aus einer Idee von jungen Eisenbahnfachleuten entstand der landesweite Taktfahrplan mit gezielten Investitionen in die Infrastruktur für Taktknoten und Ausbau des Schienennetzes, der den Schweizern als „Bahn 2000“ erneut zu Abstimmung vorgelegt und angenommen wurde. Dieser Prozess dauerte 23 Jahre, von 1982 bis 2005. Das auch der Güterverkehr in die Taktplanung aufgenommen wurde, ist positiv anzumerken.

Zur Zeit wird in der Schweiz der Fahrplan ab 2030 ausgearbeitet, der einen 15-Minuten-Takt zwischen den wichtigsten Zentren vorsieht. Ob er mit der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung mithält oder zu ambitioniert ist, kann man sicher heute noch nicht sagen.

Hans Leister (Keolis) verwies zu Recht darauf hin, das es in den Bundesländern einen Taktfahrplan gibt. Zumindest im Bereich des Regionalverkehrs sind die Takte an den Knoten weitestgehend aufeinander abgestimmt. Wenn keine Betriebsstörungen dazu kommen, klappt es in der Regel recht gut. Nicht ganz so gut sieht es mit dem Nahverkehr aus. Hier gelingt die Abstimmung nur mäßig oder es ist ein Zufall, wenn es dann doch zügig klappt. Aber das mag auch von Region zu Region unterschiedlich sein, zumal sich der Fahrplan an den örtlichen Gegebenheiten ausrichtet. Es liegt daran, das die Verkehrsverbünde nicht für den örtlichen Verkehr zuständig sind, sondern die Kommunen dies in Eigenregie machen, auch die Fahrplangestaltung.

Der öffentliche Verkehr wird von den Menschen angenommen, wenn er ihnen Vorteile bringt. Wie diese gewichtet werden, ist individuell. Für die meisten ist die gesamte Reisezeit ein wichtiges Kriterium. Danach kommen die Bequemlichkeit und der Preis. Sehr wichtig ist für viele Menschen der Stress, der beim Individualverkehr je nach persönlichem Empfinden unterschiedlich geprägt ist.

Natürlich wäre es schön, wenn ich verlässlich weiß, dass ich irgendwo in Deutschland in kürzester Zeit einen Anschluss an den Regional- oder den Stadtverkehr bekomme. Gesetzt den Fall, dass mein Zug pünktlich ist, dürfte das auch in den meisten Fällen so sein. Zumindest in den etwas dichter besiedelten Gebieten. Dort wo die Bevölkerungsdichte aber abnimmt, sind die Fahrpläne auch dürftiger gestaltet und man kann keinen wie auch immer kurzen Takt anbieten können. Auch in der Schweiz gibt es dazu Rufbusse und Sammeltaxen, wo es notwendig ist. So blöd sind die Schweizer auch nicht, dass sie einen Bus leer „auf die Alm“ fahren lassen.

Die Finanzmittel für den öffentlichen Verkehr sind in Deutschland nicht ausreichend. Neben den Investitionen in die Infrastruktur muss die Politik auch über die Finanzmittel für den Betrieb nachdenken und die Mittel bereitstellen.

Die Schweizer haben den Hochgeschwindigkeitsverkehr per Abstimmung ausgeschlossen, was bei Ausdehnung des Landes nur konsequent war.

Schließen sich ein HGV und ein Taktfahrplan gegenseitig aus? Nicht unbedingt, aber die Festlegung auf bestimmte Knoten, an denen zwangsläufig alle Linien zusammenlaufen müssen, könnte dazu führen, das auf einigen Relationen die Fahrzeiten der ICE nach unten angepasst werden müssen, welche die Reisezeit von Start- und Endbahnhof verlängern, wie Dr. Volker Kefer, Technikvorstand der DB AG, anmerkte. Und das könnte sich auf die Akzeptanz auswirken, wenn statt sechs nunmehr sieben oder acht Stunden auf dem Fahrplan stehen. Überhaupt liegt die „Schmerzgrenze“ bei den Kunden bei ca. vier Stunden, wie Kefer betonte. Die Franzosen haben es allerdings geschafft, eine Entfernung von Paris nach Marseille (rund 750 Km) in drei Stunden mit dem TGV zurück zu legen. Das ist in etwa die Entfernung von Hamburg nach München, wo die DB AG mehr als sechs Stunden veranschlagt. Deutschland ist übrigens kein Land des Hochgeschwindigkeitsverkehrs, die wenigsten ICE erreichen vom Start- bis zum Zielbahnhof nennenswerte Geschwindigkeiten, der Durchschnitt liegt bei ca. 120 Km/h. Auf dem oben erwähnten Abschnitt des TGV von Paris nach Marseille ist es das doppelte, 240 Km/h. Und dennoch kann der Anschluss am Zielort auf den Regionalverkehr problemlos funktionieren und so ein Taktfahrplan hergestellt werden.

HGV und deutschlandweiter ITV (mit entsprechendem Infrastrukturausbau) sind also nicht zwangsläufig ein Widerspruch. Für beides fehlen aber die finanziellen Mittel – und der politische Wille.

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