Baden-Württemberg setzt Zahlungen an die Bahn für Stuttgart 21 aus
31.08.11 (Allgemein) Autor:Niklas Luerßen
Eigentlich müssten bis zum 31. August in diesem Jahr rund 50 Millionen Euro an die Bahn für den Bau von Stuttgart 21 vom Land bezahlt werden. So will es zumindest der im April 2009 zwischen Stadt, Land und Bahn geschlossene Finanzierungsvertrag. Doch jetzt hat grün-rot die Zahlungen vorerst ausgesetzt, während die Stadt Stuttgart ihren Anteil von 3,156 Millionen Euro bereits überweisen hat. Für 2009 und 2010 hatte die alte schwarz-gelbe Landesregierung bisher rund 80 Millionen Euro für Tunnelbahnhof und -strecken bezahlt.
Laut Aussage eines Regierungssprechers gibt es aktuell Forderungen von der Bahn ans Land. Es müsse jedoch geprüft werde, ob das Land überhaupt zahlungspflichtig sei. Der Streit um die Zahlung wird vermutlich dann auch Thema des nächsten Lenkungskreistreffens sein, wo sich die Bahn und der Bund, Land, Stadt und Region mehr oder weniger regelmäßig treffen. Im Lenkungskreis können Entscheidungen bezüglich Stuttgart 21 nur einstimmig getroffen werden, wobei die Bahn und die öffentliche Hand jeweils eine Stimme haben.
Ein anderes Thema im sogenannten Lenkungskreis wird auch der geplante Abriss des Südflügels sein. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) möchte erreichen, dass dieses wenigstens bis zur geplanten Volksabstimmung Ende November verschoben wird. Außerdem verlangt Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) neueste und nachvollziehbare Kalkulationen, da nach Meinung der Grünen und verschiedener Experten die maximalen Projektkosten von 4,526 Mrd. Euro, bis zu denen das Projekt vertraglich finanziert ist, höchstwahrscheinlich überschritten werden.
Kretschmann hatte noch im November 2010, damals als Oppositionspolitiker, erklärt, dass er die Zahlungen an die Bahn „sofort einstellen und bereits gezahlte Beträge zurückverlangen“ würde. Er begründete dies mit einem Rechtsgutachten vom Verfassungsrechtler Hans Meyer (Eisenbahnjournal Zughalt berichtete). Demnach sei die Mischfinanzierung von Stuttgart 21 und insbesondere die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm mit einem Volumen von 2,9 Mrd. Euro (Anteil des Landes rund 950 Millionen Euro) verfassungswidrig. Um diese Frage rechtlich klären zu lassen, kann die Klage nicht vom Land ausgehen, weil es sich selber nicht verklagen kann. Entweder würde also ein anderes Bundesland oder mindestens ein Drittel der Bundestagsabgeordneten klagen – wo jedoch nur 68 von 620 Grünen Volksvertreter stellen – oder, wie es jetzt vermutlich geplant ist, die Bahn klagt das zurückgehaltene Geld vom Land ein, wo im Verlaufe des Prozesses dann auch geklärt werden könnte, ob diese Finanzierung gegen das Grundgesetz verstößt.
Bei aller Freude bei den Projektgegnern sollte jedoch nicht außer Betracht gelassen werden, dass eine rechtliche Feststellung eines Mischfinanzierungsverbotes unabsehbare Folgen für den Eisenbahnverkehr haben könnte. Viele Eisenbahnprojekte, die auch mit Hilfe von Landesgeldern realisiert wurden, würde es heute vermutlich immer noch nicht geben, hätte es diese Hilfe nicht gegeben. Oder möchte heute noch jemand die RegioBahn S28, den Haller Willem, die Euregiobahn um Aachen, das AVG-Netz oder den 3er Ringzug vermissen?