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Allianz pro Schiene kritisiert den Beschluss des Bundeskabinetts, aber auch verhaltene Zustimmung von anderen Seiten

04.08.11 (Allgemein) Autor:Test Kunde

Wie nicht anders zu erwarten, kritisiert die Allianz pro Schiene die Liberalisierung des vom Bundeskabinett beschlossen Fernbuslinienverkehrs. Nach Ansicht der Allianz verfehlt er das selbstgesteckte Liberalisierungsziel. „Die Eisenbahn muss sich vor einem fairen Wettbewerb im Fernverkehr nicht fürchten. Aber die Pläne von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer sehen vor, den Fernbus von der Maut zu befreien und künstlich billig zu halten, während jeder Zug selbstverständlich Schienenmaut bezahlen muss“, sagte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, in Berlin.

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„Ein systematisch verzerrter Wettbewerb wird uns von der Regierung als überfällige Befreiung des Verkehrsmarktes von historischen Fesseln verkauft.“ Die Allianz pro Schiene kritisierte auch, dass dem Reisenden mehr Wahlfreiheit vorgespiegelt werde, während der Bus in Wirklichkeit als „Billigheimer-Angebot ohne Fahrgastrechte“ angelegt worden sei, sagte er weiter.

Flege beklagt mögliche „Kanibalisierungseffekte“ zwischen Schiene und Fernbus, die in der Vergangenheit im Ministerium verharmlost worden seien, ohne dass eine wissenschaftliche Begleitung stattgefunden habe. Erstmals habe das Ministerium dies aber offen eingräumt.

„Statt die Effekte vorher zu prüfen, zündet man das Haus an und schaut zu, ob es schnell oder langsam brennt“, beklagte Flege und verwies auf eine einzige kleine Schubladen-Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums: Danach waren Intraplan Consult und die Beratergruppe Verkehr + Umwelt (BVU) schon im Herbst 2010 zu dem Schluss gekommen, dass 60 Prozent der Nutzer künftiger Fernbusangebote von der Eisenbahn kämen. Nur 20 Prozent würden vom Pkw auf den Bus wechseln, weitere 20 Prozent würden ohne Fernbus die Reise unterlassen. „Das Fernbus-Gesetz ist in seiner jetzigen Form ganz klar ein Gesetz zulasten der Eisenbahn“, sagte Flege.

Doch was ist dann davon zu halten, wenn die Deutsche Bahn AG in ihren S-Bahnen mit ihrem Berlin-Linien-Bus wirbt. Zu einem Preis von 33 Euro in die Bundeshauptstadt schafft man es auch nicht mit dem Nahverkehr. Für den Preis schafft man es gerade noch bis Bielefeld (39 Euro ICE, 30,90 Euro NRW-Tarif mit RE). Die Sparangebote sind zwar ganz nett, aber leider schnell vergriffen.

Konkret wird z.B. die Verbindung Düsseldorf – Berlin mit dem Berlin-Linienbus für 40 Euro angeboten. Die Fahrtzeit beträgt rund zehn Stunden ohne Umsteigen und mit Sitzplatzgarantie.

Die preisgünstige Variante mit Regionalzügen kostet 69,90 Euro mit dreimaligem Umstieg ohne Sitzplatzgarantie und einer Reisedauer von rund neun Stunden.

Mit dem ICE ist man auf dieser Relation nach weniger als fünf Stunden am Ziel, bezahlt aber den Normalpreis von 102 Euro, und eine Sitzplatzgarantie gibt es auch nicht.

Die Regionalzüge werden von den Aufgabenträgern bestellt und bezahlt. Sie fahren auch dann, wenn niemand mitfährt. Es ist also ein willkommenes Zubrot für die DB AG, wenn sie dort Fernreisende aufnimmt.

Die „Kanibalisierung“ hat schon längst stattgefunden, allerdings durch die DB AG mit ihren Tochtergesellschaften selber.

Die Allianz pro Schiene warnte außerdem vor möglichen Spätfolgen, die ein weitgespanntes Fernbusnetz für die Infrastrukturpolitik des Bundes haben werde: „Beim Ausbau des Schienennetzes, etwa zwischen Berlin und Dresden, kann sich der Bund künftig aus der Verantwortung stehlen“, sagte Flege. „Der Fernbus fungiert dann als billiger Bypass, um Löcher in dem ohnehin unzulänglich ausgebauten Schienennetz nicht flicken zu müssen“, kritisierte der Allianz pro Schiene-Geschäftsführer. „Die Konsequenz: Die Straßen verstopfen noch mehr als bisher. Nachhaltige Verkehrspolitik sieht anders aus.“

Dies mag so sein, aber wenn man die Zeit zwischen der Planung und der Inbetriebnahme von Eisenbahnstrecken betrachtet, was ist das kleinere Übel? Eine Fernbuslinie sofort oder eine Eisenbahnlinie oder Ertüchtigung in 25 Jahren?

Derweil begrüßt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Novelle. „Damit kommt endlich wieder Bewegung in das Verfahren“, sagt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. „Denn die Verkehrsunternehmen brauchen so schnell wie möglich eine Rechts- und Planungssicherheit“, so Wolff weiter.

Der VDV und der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) hatten mit ihrer gemeinsamen Stellungnahme vom Frühjahr 2011 konkrete Vorschläge für einen politischen Konsens über das PBefG unterbreitet. Damit habe die Branche einen entscheidenden Beitrag geleistet, die von Gerichtsentscheidungen und politischem Stillstand geprägte Situation voranzubringen. „Wir rechnen zwar nicht damit, dass der Regierungsentwurf alle unsere Forderungen erfüllt“, sagt Wolff, „aber er ist die notwendige Basis für die weitere Diskussion.“ Jetzt sei es Aufgabe von Bundestag und Bundesrat, eine politische Entscheidung über den Ordnungsrahmen im Nahverkehr zu treffen, so Wolff weiter. Der VDV werde sich auch im weiteren Verfahren für ein ausgewogenes Verhältnis von kommunaler Daseinsvorsorge und unternehmerischer Initiative einsetzen.

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Zur von der Bundesregierung angestrebten Liberalisierung des Fernbusverkehrs merkt Wolff an: „Der VDV begrüßt grundsätzlich neue Konzepte zur Stärkung des öffentlichen Verkehrs. Wichtig ist dabei aber, dass vorhandene Eisenbahnstrecken, die im Rahmen öffentlicher Daseinsvorsorge betrieben werden, nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.“ Der VDV werde den Entwurf sehr genau daraufhin prüfen, ob der Nahverkehr auf Schiene und Straße hinreichend geschützt wird. „Auf das ausgewogene Verhältnis kommt es an“, so Wolff.

Auch der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) begrüßt die Entscheidung des Kabinetts. Jedoch gäbe es Nachtbesserungsbedarf bei den Fahrgastrechten. „Fernbusse können Lücken schließen, sie können Fahrgäste dahin fahren, wo die Bahn nicht hinkommt. Zudem sind die Fahrpreise günstig. Mit der Aufhebung der Genehmigungspflicht kann der Fernbus somit zu einer echten Alternative zum Auto werden“, so Michael Ziesak, Bundesvorsitzender des VCD. Wichtig sei allerdings, dass der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) vor einer möglichen Kannibalisierung geschützt wird.

Dies scheint aber nach dem Gesetzentwurf nicht der Fall zu sein.

Der VCD fordert darüber hinaus von Bundestag und Bundesrat eine Diskussion zur Bus-Maut. „Anstatt über die Pkw-Maut zu debattieren, sollten wir die Bus-Maut in den Fokus rücken. Analog zu den Trassen- und Stationspreisen für die Bahn muss der Fernlinienbus, sofern wir einen fairen Wettbewerb mit gleichen Regeln wollen, Maut für die Nutzung der Straßen zahlen“, betont Ziesak. „Außerdem müssen für beide Verkehrsträger die Fahrgastrechte und vergleichbare Sozial-, Umwelt und Sicherheitsstandards gelten. Dazu gehört auch, dass mobilitätseingeschränkte Personen jederzeit den Bus nutzen können.“ An dieser Stelle sieht Michael Ziesak noch erheblichen Nachbesserungsbedarf.

Es ist sicher keine Diskussion darüber notwendig, das mobilitätseingeschränkte Fahrgäste jederzeit Bus & Bahn benutzen können. Leider ist es bei der Bahn in den meisten Fällen auch nicht ohne Hilfe möglich. Warum also besondere Bestimmungen im Busfernverkehr? Meines Wissens gibt es sowohl technische Einrichtungen und personelle Ressourcen im Bus und bei der Bahn, die zumindest auf Vorbestellung die Mobilität gewährleisten.

„Leider werden diese Ziele nur teilweise erreicht“, sagte Wolfgang Meyer, Präsident von mofair, des Verbandes der privaten Wettbewerbsunternehmen im Personenverkehr, in Berlin. „Von einer Liberalisierung des Busfernverkehrs kann keine Rede sein und beim Nahverkehr sind die Möglichkeiten der Kommunen, für ein einheitliches und optimales ÖPNV-Angebot aus einer Hand zu sorgen, erheblich eingeschränkt.“

Der Gesetzentwurf hält an der Betriebspflicht für Fernbusse fest, so mofair, dem Interessensverband der Wettbewerbsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr. Die Betriebspflicht ist nach europäischem Recht eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, die zwangsläufig die Anwendung der EU-ÖPNVVerordnung zur Folge habe. Das bedeute, dass die Genehmigungsbehörden entscheiden müssten, welcher Unternehmer den besten Fernbusverkehr anbietet. Eine solche Entscheidung könne Genehmigungsbehörden unmöglich treffen. So verfüge die Genehmigungsbehörde in München nicht über Verkehrskenntnisse in Hamburg.

Ob dies bei einer Fernbuslinie relevant sein mag, steht auf einem anderen Blatt.

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