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Metronom fordert Schlichtungsverfahren mit der GDL

17.07.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Beim Metronom fordert man ein SchlichtungsverfahrenSeit dem gestrigen Samstag (16. Juli) ruft die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihre Mitglieder bei der Uelzener Metronom Eisenbahngesellschaft erneut zu einem Streik auf, dessen Ende kurzfristig gesondert bekannt gegeben wird. Die Zugausfallquote liegt bei etwa 55 Prozent, wie Metronom-Sprecherin Hannah Kohn dem Eisenbahnjournal Zughalt.de sagte. In den ersten Streikphase lag sie bei deutlich über neunzig Prozent.

Die Geschäftsführung des Unternehmens forderte die Gewerkschaft zum Eintritt in ein Schlichtungsverfahren auf. Dieser Aufforderung haben sich auch einige andere Privatbahnen angeschlossen, auch solche, die teilweise dieselben Gesellschafter haben wie der Metronom. Man ist bereit, das ohne jede Vorbedingungen und mit offenem Ausgang zu tun. Also auch inklusive der Option, dass das Schlichtungsverfahren scheitert.

Die GDL jedoch fordert vor dem Eintritt ins Schlichtungsverfahren, dass ihre sämtlichen Forderungen erfüllt werden. Etwa die bedingungslose Anerkennung des Bundesrahmen-Tarifvertrages für Lokomotivführer und der Betreiberwechsel-Tarifvertrag. Er sieht vor, dass Mitarbeiter im Falle eines Betreiberwechsels vom neuen Betreiber übernommen werden müssen, wenn dieser nicht genug eigenes Personal hat.

Für Privatbahnlokführer hieße das im Regelfall, dass sie von DB Regio nicht übernommen werden, wenn ihr Arbeitgeber eine Strecke oder ein Teilnetz verliert, weil der Deutschen Bahn über den konzerninternen Arbeitsmarkt stets mehr als genug Leute zur Verfügung stehen. Übernimmt aber eine Privatbahn eine Leistung von DB Regio, würden Heinrich Brüggemann und Frank Sennhenn ihr das Personal aussuchen.

Dadurch, dass auch die Berufserfahrung anerkannt wird, hätten die Privatbahnen ein nahezu unkalkulierbares Risiko bei der Kostenberechnung: Niemand weiß, wie hoch die Löhne der Mitarbeiter sein werden, die man von der DB Regio „aufs Auge gedrückt“ bekäme. Der Branchentarifvertrag, den die sehr viel größere Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) mit den sechs Privatbahnkonzernen Abellio, Arriva Deutschland (heute Netinera), Benex, der Hessischen Landesbahn, Keolis und Veolia Verkehr sowie der Deutschen Bahn abgeschlossen hat, sieht Personalübernahmen im gegenseitigen Einvernehmen vor.

Vielfach wird an der Basis der GDL auch kritisiert, dass es Eisenbahnverkehrsunternehmen gibt, die bei der Personalsuche auf die Hilfe der örtlichen Arbeitsämter zurückgreifen. Die im Rahmen der Hartzreformen eingeführten „Bildungsgutscheine“ sind politisch nach wie vor umstritten. Aber was daran negativ sein soll, wenn Hartz 4 Empfänger in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vermittelt werden, bleibt offen.

All diese Forderungen müssen erfüllt sein, damit die GDL überhaupt erst bereit ist, an einer „Moderation“ teilzunehmen – das wäre noch keine Schlichtung. Auch der Branchentarifvertrag für den SPNV kam erst im Rahmen einer Schlichtung zustande. Zu diesem Verfahren wurde die GDL ausdrücklich eingeladen. Sie lehnte ab. Begründung: Die konstruktiv laufenden Verhandlungen mit den Privatbahnen. Dabei hatte die EVG der GDL sogar angeboten, branchenweit für alle Lokomotivführer zu sprechen – auch in den Unternehmen, in denen sie eigentlich kein Mandat hat.

Nach Abschluss des Schlichtungsverfahrens platzten innerhalb weniger Tage sämtliche Verhandlungen. Die GDL erklärte sie für gescheitert. Zwar wirft sie der EVG vor, sie habe auf einen „schnellen Abschluss“ gesetzt, doch langwierige Verhandlungen und ein mehrmonatiges Schlichtungsverfahren ist das Gegenteil davon. Man hat von Anfang an auf einen Abschluss mit der EVG spekuliert, nur um dann „mehr“ zu fordern. Verhandelt hat man jedoch nie, es gab stets einseitige Forderungen, die erfüllt werden sollen – sonst Streik bis zum bitteren Ende.

Im Falle des Metronoms geht die GDL soweit, dass sie nicht mehr mit den Geschäftsführern sprechen will, sondern Vertreter der Gesellschafter verlangt. Das ist über die Osthannoversche Eisenbahn indirekt auch die Firma Netinera, an der die italienische Staatseisenbahn beteiligt ist. Man wirft Netinera vor, „das Ende des Metronom“ vorzubereiten. Begründet wird das damit, dass die OHE sich selbst und nicht über den Metronom auf die niedersächsische Ausschreibung „Heidekreuz“ beworben hat.

Die Gesellschafter, insbesondere Netinera, würden nicht ins Unternehmen investieren, sondern lediglich Geld rausziehen. Zunächst einmal muss jedes Unternehmen Gewinn machen, auch der Metronom und seine Gesellschafter – sonst folgt früher oder später automatisch die Insolvenz. Beim Metronom verweist man beispielsweise auf die neuen Servicecenter, die das Unternehmen in Buchholz, Winsen und Stade eröffnet hat, ebenso wie die eigenen Fahrscheinverkaufsautomaten und Metronom-Tagestickets.

Außerdem ist man bei der GDL nicht bereit, mit Vertretern des Arbeitgeberverbandes Deutscher Eisenbahnen (AGVDE) zu sprechen. Dieser hat jedoch für die Metronom Eisenbahngesellschaft einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag ausgehandelt. So wie Arbeitgeber akzeptieren müssen, dass sich die Beschäftigten für eine bestimmte Gewerkschaft entscheiden, so müssen auch die Gewerkschaften die Koalitionsfreiheit der Arbeitgeber anerkennen.

Ein Schlichtungsverfahren ist ganz klar geregelt: Nach gescheiterten Tarifverhandlungen können sich die Tarifparteien auf einen (oder mehrere) Schlichter einigen. Der Schlichter übernimmt den Vorsitz der Verhandlungen und wenn sich die Parteien nicht einigen, dann fällt er einen Schlichterspruch. Den können beide Seiten akzeptieren – oder auch ablehnen. Aus Sicht der Metronom Eisenbahngesellschaft scheint die GDL einen Schlichterspruch zu befürchten, der ihr nicht passt.

Die von der GDL angeregte „Moderation“ hält man dort für einen Trick, um dem Schlichtungsverfahren auszuweichen. Es werden fünf Voraussetzungen gestellt: Die bedingungslose Akzeptanz des mit dem der Deutschen Bahn nahestehenden Arbeitgeberverbandes Mobilität und Verkehr (AGV MoVe) abgeschlossenen Rahmentarifvertrages und des Betreiberwechsel-Tarifvertrages, die bedingungslose Akzeptanz des Lohnniveaus, die Koordinierung von zwölf unabhängigen Gesellschaften, Verhandlungen nur auf Konzern-Oberebene und die Ablehnung der rechtlich vorgesehenen Schlichtung auf Unternehmensebene.

Zu verhandeln bliebe da nicht mehr viel. Sinn und Zweck einer Schlichtung ist jedoch, einen Kompromiss in verfahrenen Verhandlungen zu finden. Es wird keinen Kompromiss geben, wenn eine Seite nur dann in ein Schlichtungsverfahren einzutreten bereit ist, wenn alle Forderungen im Vorfeld erfüllt sind.

Vielfach heißt es aus dem Umfeld der GDL auch, die Person Peter Struck (SPD) sei beim Schlichtungsverfahren mit der EVG ein Aufhänger gewesen. Der frühere Bundesverteidigungsminister und langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag sei wegen seiner Äußerungen im Tarifkonflikt zwischen GDL und Deutscher Bahn 2007/2008 inakzeptabel gewesen. Es hätte jedoch auch zahlreiche andere Schlichter geben können – frühere Bundesminister und Ministerpräsidenten gibt es schließlich genug.

2007 haben beispielsweise der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler und der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zwischen Hartmut Mehdorn und Manfred Schell vermittelt. Geißler war jedoch wegen seiner Rolle im Konflikt um das umstrittene Großprojekt Stuttgart 21 terminlich verhindert.

Weiterhin fordert die GDL ein Berufseinstiegsverbot für Hauptschulabsolventen. Beim Metronom haben derzeit etwa zehn Prozent der Triebfahrzeugführer „nur“ einen Hauptschulabschluss. Damit ist deren Quote an Hauptschulabgängern im Branchendurchschnitt noch relativ niedrig. Zwar würden die Betroffenen nicht entlassen werden, aber ob sie bei einer durchgesetzten GDL-Forderung jemals wieder von einem anderen Unternehmen eingestellt werden dürften, ist fraglich.

Es dürfte auch für das Klima im Unternehmen besonders schädlich sein, wenn die Geschäftsleitung einem nicht geringen Anteil der Beschäftigten sagen müsste, dass man sie nicht mehr einstellen würde, dass sie nur aufgrund von Bestandsschutzregelungen im Unternehmen verbleiben dürfen. Sie könnten ja nicht mal kündigen und woanders hingehen.

Deutschland leidet bereits heute an Facharbeitermangel. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird sich das in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stark verschärfen. Eine solche sachlich nicht zu rechtfertigende Einstiegshürde wäre daher nicht nur gesellschaftspolitisch unverantwortlich, sie wäre auch ökonomisch nicht zu vertreten.

Beim Metronom fahren größtenteils relativ junge Leute. Doch bei der Deutschen Bahn steht in den nächsten Jahren eine große Verrentungswelle bevor. Und da wird man auch bei den Privaten auf Personalsuche gehen. Immer mehr Arbeitnehmer, auch Lokomotivführer, werden sich ihre Arbeitsplätze aussuchen können. Die Zeiten, dass Arbeitgeber einseitig Lohnsenkungen und Verschlechterungen diktieren konnten, sind heute schon vorbei.

Also werden die Marktspieler im SPNV zukünftig noch stärker gezwungen sein, attraktive Arbeitgeber zu sein. Wer über vermeintliches „Lohndumping“ in den Markt einzutreten versucht, der scheitert heute schon. Dabei ist dieser Begriff eigentlich völlig unpassend für die Situation im SPNV. Einen Dumpinglohn erhält die Friseurin in Ostdeutschland, die pro Stunde netto 3,40 Euro hat. Dumpinglohnempfänger sind Menschen, die trotz Vollzeitstelle auf Hartz 4 angewiesen sind. Hier kann ein gesetzlicher Mindestlohn Abhilfe schaffen.

Lohnunterschiede im SPNV sind ganz etwas anderes. Natürlich verdient ein Lokführer bei der ODEG weniger als beim Metronom oder auch bei DB Regio. Die Deutsche Bahn hat einen bundesweit gültigen Tarifvertrag. Ein DB-Lokführer in Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist daher in seiner Region ein Gutverdiener. Dass ein DB-Kollege in Köln, München oder Stuttgart real weniger hat als einer der ODEG im Osten geht dabei schnell unter. Lohnunterschiede gibt es halt von Region zu Region. Da wird auch die GDL nichts dran ändern können.

Nach einer Einigung sieht es jedoch nicht aus. Erst jüngst äußerte die Aufgabenträgergemeinschaft BAG SPNV die Befürchtung, dass die Dauerstreiks dem Verkehrsträger Schiene nachhaltig schaden könnten. Das ist durchaus realistisch. Und wenn es wegen dauerhaft gesunkener Fahrgastzahlen die ersten Abbestellungen gibt, dann nutzt kein Betreiberwechsel-Tarifvertrag mehr. In einem schrumpfenden Markt kann man nicht alle Arbeitsplätze sichern.

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