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Die Angst der Lokführer vor Personen im Gleis

28.07.11 (Allgemein) Autor:Test Kunde

Jährlich nehmen sich über 800 Menschen das Leben, indem sie sich von einem Zug überfahren lassen. Menschen, die depressiv sind, keinen Ausweg mehr sehen oder unheilbar krank sind und die Schmerzen nicht mehr aushalten wollen. Für die Angehörigen ist es oft unfassbar, in jedem Fall ist die Trauer unermesslich, besonders wenn es ein junger Mensch war, der das Leben noch vor sich hatte.

Es gibt aber auch noch andere Betroffene, die unter Umständen darunter leiden. Es sind die Lokführer, die mit ansehen müssen, dass sie einen Menschen überfahren werden. Der Statistik nach überfährt jeder Lokführer in seiner Dienstzeit drei Menschen. Einige stecken das weg, sie sind sich bewusst, dass sie keine Chance hatten, den Unfall zu verhindern, denn so ein tonnenschwerer Zug hat auch bei einer Schnellbremsung einen Anhalteweg von mehr als einem Kilometer.

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Andere Lokführer wiederum können das Erlebte nicht oder nur schwer verkraften und leiden unter posttraumatischen Symptomen wie etwa Schlaflosigkeit und Albträumen. Manche überwinden dies nach einiger Zeit, andere wiederum können nie wieder in den Führerstand steigen.

Es ist also durchaus richtig, das die Gewerkschaften für die betroffenen Lokführer zumindest eine psychologische Betreuung fordern. Eine finanzielle Absicherung für den Fall der Fahrdienstuntauglichkeit ist sicher ebenfalls angebracht, am besten über eine vom Arbeitgeber finanzierte Berufsunfähigkeitsversicherung. In vielen Bereichen des Berufslebens ist das durch die Berufsgenossenschaft der Fall. Allerdings muss ein solches posttraumatische Erlebnis als Arbeitsunfall anerkannt werden.

Die Süddeutsche Zeitung berichtet auf ihrer Internetseite von einem besonderen Fall. Im Januar 2009 hat ein Lokführer gegen ein Uhr nachts etwas überfahren. Er ging davon aus, das es ein Tier war und setzte die Fahrt ungehindert fort. Die Leiche eines 20jährigen fand später ein anderer Lokführer. Er muss also erst später er erfahren haben, dass unter seinem Zug ein Mensch gestorben war. Fakt scheint aber zu sein, dass der Lokführer die Person gar nicht wahrgenommen hat. Unklar bleibt bei der SZ ob es ein Suizid oder ein Unfall war.

Der Lokführer habe zwei Jahre gebraucht, bis er das Unglück überwunden habe, so die SZ. Seine Ehefrau, an den der Lokführer die Rechte abgetreten hat, hat deswegen die Eltern des jungen Mannes auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt. Diese juristische Spitzfindigkeit hat die Ursache darin, dass der betroffene Lokführer vor Gericht als Zeuge aussagen kann.

Das zuständige Landgericht Nürnberg-Fürth soll über den Fall entscheiden, doch die Richterin Jana Lux riet zu einem Vergleich. In der Rechtsprechung habe sie keinen vergleichbaren Fall gefunden, sagte sie. 1999 habe ein Lokführer in einem ähnlichen Fall 10.000 Deutsche Mark nach einem Unfall zugesprochen bekommen. Die geforderten 15.000 Euro seien auf jeden Fall zu hoch gegriffen, höchsten 5.000 Euro könne sie bekommen, wenn die Klage Erfolg hätte. Es gebe nicht für jeden Schmerz jemanden, der dafür bezahle. Und so viel Geld gäbe es nicht einmal, wenn man einem Angehörigen bei einem Unfall beim Sterben zuschauen muss, so Jana Lux.

Der Lokführer bezeichnet sich selbst als Opfer, der jahrelang darunter leiden müsste. „Jedes Mal wenn ich einen dunklen Busch an der Schiene sehe, ziehe ich durch“, sagt er. Dabei meint er das Bremsen, denn er fährt wieder.

Es ist ein Berufsrisiko eines Lokführers meint der Anwalt der beklagten Familie, die ihren 20jährigen Sohn verloren hat und unter dem Schmerz ihr ganzes Leben leidet. Der Anwalt des Lokführers hofft auf einen Präzedenzfall.
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