DB Regio will Ausschreibungsteilnahmen einschränken
04.07.11 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
In der Online-Ausgabe der im Axel Springer Verlag erscheinenden Tageszeitung Die Welt erklärt Frank Sennhenn, Chef von DB Regio, dass es unternehmensinterne Überlegungen gäbe, sich künftig nicht mehr automatisch an Ausschreibungen zu beteiligen. Man habe schließlich nur begrenzte Kapazitäten. Dadurch würden Streckenstilllegungen drohen, wenn die Aufgabenträger keinen Betreiber mehr fänden.
Hintergrund ist Lobbyistengetrommel für eine neuerliche Erlaubnis von Direktvergaben im Nahverkehr. Bereits im Vorfeld des Abellio-Urteils wollte die nordrhein-westfälische Landesregierung eine Gesetzesänderung erreichen, um zu verhindern, dass der rechtswidrige Verkehrsvertrag zwischen VRR und DB Regio NRW vom Bundesgerichtshof gekippt wird.
Auch damals waren die Drohungen dieselben: Durch anstehende Vergabewellen würden sich die Aufgabenträger nicht mehr die Verkehrsunternehmen, sondern die Verkehrsunternehmen die Aufgabenträger aussuchen können – wenn man keine Direktvergaben erlaubt. Nun ist wieder eine Gesetzesänderung vorgesehen, die aber besser geplant werden muss. Die von der rot-grünen Landesregierung in Nordrhein-Westfalen angestrebte Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes hätte das Urteil nicht verhindert.
Nun ist es so, dass die EU-Verordnung 1370 / 2007 Direktvergaben vorsieht, allerdings unter Auflagen. Verträge wie im VRR, die von einigen wenigen Leuten in irgendwelchen Hinterzimmern geschlossen werden, wird es ohnehin keine mehr geben. Direktvergaben müssen ein Jahr vorher im europäischen Amtsblatt veröffentlicht werden und interessierte Bieter müssen die Möglichkeit erhalten, sich in die Verhandlungen einzuschalten.
Natürlich kann auch ein Aufgabenträger weiterhin Wettbewerb verhindern, wenn er es möchte. Die S-Bahn Dresden ist ein Paradebeispiel dafür: Hier hat man DB Regio zuerst Züge geschenkt, danach wurde das Netz ausgeschrieben. Zwischen Vertragsunterzeichnung und Betriebsstart lagen rund sechs Monate. Erwartungsgemäß hatte außer der DB niemand Interesse daran.
Sollte aber tatsächlich das Szenario eintreten, mit dem Frank Sennhenn hier droht, bedeutet das noch lange keine Stilllegung. Es gab bereits gescheiterte Ausschreibungen, jüngst beispielsweise das Dieselnetz Westmünsterland. Dennoch wurden neue Betreiber gefunden – allerdings vor dem Abellio-Urteil. DB Regio Westfalen wird dort ab Dezember 2011 unterwegs sein.
Im Zweifelsfall gibt es zudem die Möglichkeit der Auferlegung. Hier hat der Gesetzgeber klare Regelungen gefasst, um zu verhindern dass eine Strecke wegen mangelndem Interesse durch potentielle Auftragnehmer nicht mehr befahren wird.
Direktvergaben können aber durchaus auch ein Mittel sein, um den Wettbewerb nachhaltig zu gestalten oder die Eisenbahn kurzfristig attraktiver zu machen. Etwa wenn Aufgabenträgerübergreifende Linien verschieden lang laufende Altverträge haben, dann ist eine Harmonisierung notwendig.
Vergabewellen lassen sich ebenfalls ein wenig abfedern, wenn man mal ein, zwei Jahre wartet. Schließlich will auch die Waggonbauindustrie ihre Kapazitäten nicht alle paar Jahre hoch- und runterfahren. Dafür gibt es eine Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger. Die können gemeinsame Ausschreibungsfahrpläne erarbeiten, um bundesweite Kontinuität zu gewährleisten. Dazu können auch Direktvergaben gehören.
Das muss dann aber auf einem ernsthaften und seriösen Niveau erfolgen. Angstmacherei, wie Herr Sennhenn sie hier betreibt, gehört nicht dazu. Im Gegenteil: Der SPNV leidet heute schon an zu geringer politischer Verlässlichkeit. Solche Drohungen schaden der Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger.