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Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 boykottiert Präsentation des Stresstests

21.07.11 (Allgemein) Autor:Max Yang

Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 wird an der öffentlichen Diskussion über den Stresstest am kommenden Dienstag nicht teilnehmen. Dies gab Sprecherin Dr. Brigitte Dahlbender bekannt. Das Bündnis begründet das mit fehlender Diskussionsmöglichkeit auf Augenhöhe, weil sie – anders als in der Schlichtung vereinbart – nicht am Stresstest beteiligt gewesen sein konnten und auch keinen Einblick in die Prämissen des Stresstests bekommen haben.

Mit ihrem Bedauern, aber mit voller Überzeugung erklärten sie damit den Ausstieg aus der ihrer Meinung nach Pseudo-Faktenschlichtung. Damit findet die Präsentation am kommenden Dienstag ohne das Aktionsbündnis statt.

Die Bahn musste im Stresstest nachweisen, dass sie in der Spitzenzeit im Tunnelbahnhof von 7 bis 8 Uhr 30% mehr Verkehr gegenüber dem heutigen Kopfbahnhof abfertigen könne. Das war eine Verständigung in der sogenannten Schlichtung zwischen Befürwortern und Gegnern unter der Leitung von Dr. Heiner Geißler (CDU). Die Bahn führte daraufhin eine Computersimulation durch, die das Verkehrsberatungsunternehmen SMA in der Schweiz überprüft hatte. Ersten Pressemeldungen zufolge soll der Stresstest angeblich bestanden worden sein, wovon aber auch viele Gegner ausgegangen sind.

Die Gegner kritisieren diesen Test allerdings als „Stresstestle“. So wurde nur ein Schönbetrieb mit geringfügigen Verspätungen simuliert. Außerdem habe sich die Bahn geweigert, mit dem Aktionsbündnis über die Grundlagen des Tests zu diskutieren. Daher sei eine Diskussion auf Augenhöhe nicht möglich. Alleine um des Auftritts wegen wolle das Aktionsbündnis nicht an der öffentlichen Diskussion teilnehmen.

Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt der Gegner ist auch, dass die Bahn von unrealistischen Voraussetzungen ausgegangen sei. So könne der jetzige Kopfbahnhof deutlich mehr Züge als die derzeitigen 37 pro Stunde abfertigen. Um den neuen Tunnelbahnhof mit 30% Mehrverkehr nicht zu überfordern, habe die Bahn die Zahl daher bewusst niedrig angesetzt. So sagte Egon Hopfenzitz auf der Pressekonferenz der Parkschützer, der 14 Jahre lang Bahnhofsvorsteher in Stuttgart war, dass der jetzige Bahnhof in der Spitzenstunde bis zu 54 Züge pro Stunde verkraftet hätte. Somit müsste der Tiefbahnhof beim selbst gesteckten Anspruch von 30% Mehrverkehr bis zu 70 Züge pro Stunde erfüllen.

Hannes Rockenbauch (SÖS), Stadtrat und zweiter Sprecher des Aktionsbündnisses, kritisierte außerdem, dass SMA von der Bahn lediglich den Auftrag gehabt habe, eine stichprobenartige Prüfung vorzunehmen, was bei weitem nicht ausreiche. Da die Bahn sich bis heute weigere, den Vertrag mit SMA und die Prämissen des Stresstests offenzulegen, sei das Motto „alle an einen Tisch und alle Fakten auf dem Tisch“ (O-Ton Geißler) und somit die Fortsetzung der Schlichtung gescheitert. Deshalb wird es sich am Dienstag um eine ausschließliche Show-Veranstaltung der Bahn handeln, wofür das Aktionsbündnis sich nicht hergebe.

Geißler bedauerte die Absage, stellte aber auch klar, dass er nicht der „Psychotherapeut der Gegner“ sei. Das Verstreichen der Gelegenheit, die Argumente der Öffentlichkeit vorzustellen, sei – so wörtlich – „falsch“. Das Aktionsbündnis wurde in drei Vorbereitungstreffen im Juni über den Stresstest informiert. Deshalb könne die gesamte Präsentation am Dienstag nicht alleine mit dem Argument abgesagt werden, dass die Gegner die Voraussetzungen für den Stresstest nicht mehr akzeptieren. Stuttgarts Oberbürgermeister Wolfgang Schuster (CDU) bemängelte, dass sich das Aktionsbündnis damit unglaubwürdig machen würde.

Dagegen gaben Rockenbauch und Dahlbender an, dass die Bahn in den drei Treffen den Verstoß gegen die Vereinbarungen der Schlichtung nicht geheilt habe. Man werde das Gutachten analysieren und das Ergebnis anschließend veröffentlichen. Vorerst seien, bis auf die wöchentlichen Montagsdemonstrationen, keine weiteren Veranstaltungen geplant, stattdessen will man mittels Vorträgen bei Veranstaltungen die Kritik ins Land tragen und damit auch für die nach bisherigem Zeitplan im November kommende Volksabstimmung werben.

Auch die Rolle Geißlers wird kritisiert. So habe er seine Neutralität gegenüber der Faktenschlichtungssitzung im Oktober und November verloren. Zwar hatte er die Bahn dafür gerügt, dass das Aktionsbündnis nicht an der Ausarbeitung der Stresstestparameter beteiligt worden sei, allerdings habe er daraus nicht die Konsequenz gezogen und der Bahn zu verstehen gegeben, dass eine der wesentlichen Grundlagen der Schlichtung verletzt wurde.

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