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Wie lange will die NVBW noch die anstehenden Ausschreibungen hinauszögern?

27.06.11 (Allgemein) Autor:Sven Steinke

Unter Experten galt der Schienenpersonennahverkehr in Baden-Württemberg noch vor einigen Jahren als Vorzeigemodell für die Erschließung ländlicher Gegenden. Doch mittlerweile ist dieser Titel verflogen, nur noch einige Leuchtturmprojekte sind übrig geblieben, wie beispielsweise die Regionalstadtbahn Karlsruhe. Weite Teile des Landes warten aber immer noch auf Verbesserungen. Häufig fährt DB Regio mit Großverträgen oder kommunale Verkehrsunternehmen auf eigenwirtschaftliches Risiko.

Im Sommer letzten Jahres kündigte die ehemalige Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) noch an, weite Teile des Nahverkehrs bis 2019 ausschreiben zu wollen. Durch eine Vertragsänderung sollten nicht alle Linien im Jahr 2016 aus dem landesweiten Großvertrag herausfallen. Viele regionale Linien sollten bereits im Jahr 2014 in die Ausschreibung gehen. Mehrere weitlaufende RE-Linien erst im Jahr 2019.

Die Vorinformationen vom September 2009 zur Ausschreibung von zwei Vergabenetzen sind mittlerweile wieder aus dem europäischen Amtsblatt verschwunden. Mindestens drei Vergabenetze stehen im Dezember 2014 zur Ausschreibung an. So langsam müssen die ersten Schritte zur Ausschreibung der Netze eingeleitet werden, damit die Betreiber in der Lage sind, die nötigen Fahrzeuge zum Betrieb der Netze zu beschaffen. Für die nächsten Jahre steht eine große Vergabewelle an, da wird es nicht leicht für große Vergabenetze eine entsprechende Fahrzeuganzahl zu beschaffen.

In den bereits veröffentlichten Vorinformationen waren zudem zweifelhafte Vorgeben enthalten, so sind für den Betrieb der Nahverkehrsleistungen auf der Hochrheinbahn elektrische Fahrzeuge vorgegeben worden und bei Nichtfertigstellung der Elektrifizierung müssen dieselbetriebene Fahrzeuge vorgehalten werden.

Nur DB Regio verfügt über ausreichend gebrauchte Dieseltriebzüge, um die Leistungen dieses Vergabenetzes gewinnen zu können. Andere Unternehmen können über Leasinggeber nicht ausreichend gebrauchte Fahrzeuge erhalten, um in diesem Netz die geforderte Option zu erfüllen, da die bisher freigewordenen Gebrauchtfahrzeuge bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen heißbegehrt sind.

So bindet sich die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) wieder mit überteuerten und qualitativ minderwertigen Verkehrsverträgen an den ehemaligen Monopolisten, weil der Wettbewerb durch die Rahmenbedingungen der Ausschreibung quasi ausgeschaltet wird. Währenddessen fahren an vielen Stellen im Ländle noch kommunale Gesellschaften mit unübersichtlichen Fahrplänen und Betriebsruhe am Wochenende.

Auch der neue Verkehrsminister Winfried Hermann von den Grünen hat sich bisher nicht in Sachen Ausschreibungspolitik geäußert. Das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 scheint für ihn wichtiger zu sein als ein qualitativ hochwertiger Nahverkehr im ganzen Land. Durch die im Ausschreibungswettbewerb entstehende Kostenoptimierungen würden bei gleichbleibenden Bundeszuschüssen immense Leistungsausweitungen möglich.

Durch höhere Qualitätsanforderungen in den Verkehrsverträgen und ein höheres Leistungsangebot kann die Fahrgastnachfrage deutlich erhöht werden. Dabei wurden in Baden-Württember schon sehr gurte Erfahrungen mit dem Ausschreibungswettbewerb gemacht, wie auf der Schwarzwaldbahn oder den Leistungen der S-Bahn Rhein-Neckar. Die Fahrgastzahlen sind deutlich gestiegen und die Reisenden sind zufriedener mit dem Nahverkehrsangebot als vor den Ausschreibungen.

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