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Deutschlands Schienennetz schrumpft überproportional

07.06.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Das deutsche Eisenbahninfrastruktur ist im abgelaufenen Jahrzehnt zwischen den Jahren 2000 und 2009 im Vergleich zur EU 27 überdurchschnittlich geschrumpft. Das teilt die Allianz pro Schiene mit und beruft sich dabei auf bislang unveröffentlichte Unterlagen der Europäischen Kommission. Demnach habe sich das EU-weite Schienennetz um 2,2 % verkleinert, während das Autobahnnetz zeitgleich um 22 % gewachsen sei.

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Deutschland liege mit einer Stilllegungsquote von 7,9 % dabei an drittletzter Stelle. Nur in Polen (12,4 %) und Lettland (19,2 %) haben diesen Zahlen zufolge eine größere Schrumpfung der Eisenbahninfrastruktur hinnehmen müssen. Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene: „Diese Demontage ist trotz aller Sonntagsreden zur Förderung des Schienenverkehrs leider politisch gewollt.“

Flege warnt jedoch davor, einseitig der Deutschen Bahn die Schuld in die Schuhe zu schieben. „Die Verantwortung für die Bundesschienenwege liegt beim Bund. Netzschrumpfung ist immer eine politische Entscheidung.“ Das kommt etwa zustande durch die Koch-Steinbrück-Liste, in dessen Rahmen die große Koalition und die Länder eine Senkung der Regionalisierungsgelder vereinbart haben, so dass teilweise Abbestellungen notwendig wurden. Wo kein SPNV mehr fährt, ist ein wirtschaftlicher Weiterbetrieb in den meisten Fällen nicht mehr möglich.

Bei der Bahnlobby sieht man die 2009 eingeführte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung als einen Schritt in die richtige Richtung. Sie sieht vor, dass der Bund zwischen 2009 und 2013 jährlich 2,5 Milliarden Euro für den Unterhalt und fällige Ersatzinvestitionen zahlt. Pauschal und ohne Zweckbindung. Zusätzlich verpflichtet sich die Deutsche Bahn, jährlich zwischen 1,0 und 1,25 Milliarden Euro an Eigenmitteln aufzuwenden.

Darüber hinaus erscheint ein jährlicher Netzzustandsbericht. Dieser wird jedoch von zahlreichen Akteuren als zu allgemein kritisiert. Zudem stammen die vermeintlichen Eigenmitteln größtenteils aus Infrastrukturentgelten des Nahverkehrs und kommen somit – über die Aufgabenträger – ebenfalls aus der Staatskasse.

Da die Allianz pro Schiene aus Mitgliederverbänden mit unterschiedlichen Ausrichtungen, auch beim Thema Infrastruktur, besteht, ist sie jedoch nicht in der Lage, hier eindeutig Position zu beziehen. So muss man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen, und der ist in diesem Fall die Forderung nach einem Ausbau der Schiene.

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Allerdings gibt es auch einen (schwachen) Trost: Die Schrumpfung der Infrastruktur ist weit geringer ausgefallen als noch in den 90er Jahren. Damals wurden 10,7 % der Eisenbahninfrastruktur des Bundes entweder stillgelegt oder abgegeben.

Im neuen Jahrzehnt stehen große Herausforderungen bevor: 2013 läuft die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung aus. Für die Zeit nach den Bundestagswahlen ist zudem eine Neuberechnung der Regionalisierungsgelder geplant. Diese orientieren sich bislang am Status Quo des Jahres 1996, als die regionale Aufgabenträgerschaft eingeführt worden ist. Eine Berechnungsgrundlage im engeren Sinne besteht nicht. Das wird sich ändern.

Doch eins ist gewiss: Politiker sind Meister darin, für ein gewünschtes Ergebnis eine Formel aufzustellen. Die Wahrung der „Haushaltsneutralität“ wird fester Bestandteil der Neuordnung sein. Hoffnung auf „mehr Geld“ braucht sich niemand zu machen. Derzeit sind die Regionalisierungsgelder mit 1,5 % im Jahr dynamisiert. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung sieht keinen Inflationsausgleich vor.

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