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Wettbewerb auf der Schiene droht zu erlahmen

23.05.11 (Allgemein) Autor:Test Kunde

Nach dem heute vorgestellten Wettbewerbs-Report Eisenbahn 2010/2011 droht dem Wettbewerb im Personenverkehr das aus. Den Grund sehen die drei Verbände Netzwerk Privatbahnen, Bundesarbeitsgemeinschaft Schienenpersonennahverkehr (BAG-SPNV) und der Interessensverband mobil und fair (mofair) in den Rahmenbedingen, die an vielen Stellen noch wettbewerbsfeindlich seien. Des weiteren zehren die stark steigenden Infrastrukturkosten den Erfolg des Wettbewerbs beim Betrieb auf.

„Die Wettbewerbsbahnen haben zwar einige Geländegewinne zu verzeichnen, aber es besteht große Gefahr, dass der Wettbewerb in nächster Zeit zum Erliegen kommt“ resümieren die Präsidenten der drei Verbände.

Mit 87,5 Prozent ist die Deutsche Bahn in der Verkehrsleistung im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) immer noch marktbeherrschend. Dies liege vor allem an den in den 1990-er Jahren vorgenommenen Direktvergaben an die DB Regio, so mofair-Präsident Wolfgang Meyer. In den Jahren nach der Bahnreform hat die DB Regio nahezu alle Verkehrsverträge auf dem Wege der Direktvergabe erhalten. Von diesen zum Teil sehr lang laufenden Verträgen hat die Deutsche Bahn noch mehr als 50 Prozent im Bestand. Der Bundesgerichtshof hat zwar mit seinem Urteil vom 8. Februar 2011 klargestellt, das Direktvergaben im Eisenbahnverkehr unzulässig sind, aber es wird noch viele Jahre dauern, bis alle Verkehrsverträge einmal ausgeschrieben sind.

Von interessierter Seite würde auch schon wieder versucht, den Wettbewerb auszuhebeln, indem der Gesetzgeber mit unpassenden Argumenten zu einer Änderung der Rechtslage gedrängt würde. „Dass jetzt einige versuchen, Direktvergaben durch die Hintertür doch wieder uneingeschränkt möglich zu machen, kann doch wohl nur ein schlechter Witz sein“, sagte Meyer.

An die Verkehrsunternehmen und die Aufgabenträger stellt die Vergabewelle der nächsten Jahre besondere Anforderungen. „Wegen der bestehenden Wettbewerbshindernisse insbesondere bei der Fahrzeugbeschaffung und beim Rechtsrahmen haben sich in den letzten Jahren immer weniger Bahnunternehmen an Ausschreibungen beteiligt“, sagte BAG-SPNV-Präsident Bernhard Wewers in Berlin. „Wir müssen die Ausschreibungen so gestalten, dass sie für die Bieter attraktiv sind, sonst werden wir in wenigen Jahren nur noch die Deutsche Bahn als Bieter haben.“

Die Regionalisierungsmittel, also die vom Bund den Ländern und damit den Aufgabenträgern zur Verfügung gestellten Finanzmittel, reichen nicht mehr so weit wie früher. Seit 2002 sind die Trassenpreise um mindestens 450 Millionen Euro gestiegen und sie werden weiter ansteigen. Die Trassenpreise erhält die DB Netz AG von den Eisenbahnunternehmen dafür, dass sie das Schienennetz der DB Netz befahren. Diese müssen sie aus den Zuweisungen der Aufgabenträger, also den Regionalisierungsmitteln bezahlen. „Wenn die Trassenpreise weiter stärker steigen als die Regionalisierungsmittel, sind Angebotsreduzierungen im SPNV die unausweichliche Folge“, warnte Wewers und verwies auf die Kürzungen z. B. im SPNV von Sachsen. „Der Bund muss hier seinen Einfluss auf die DB Netz AG geltend machen.“

So gut wie keine Rolle spielt der Wettbewerb im Schienenpersonenfernverkehr. Hohe Investitionen in Fernverkehrszüge, die Belegung von schnellen Zugtrassen durch fünfjährige Rahmenverträge zwischen den Schwestergesellschaften DB Netz AG und den DB-Verkehrsunternehmen machen es für Wettbewerber schwierig, in diesem Segment Fuß zu fassen.

Gleichzeitig hat die Deutsche Bahn in den letzten 10 Jahren die Zahl der Fernverkehrshalte außerhalb des Kernnetzes um 48 % reduziert. 13 Oberzentren (z. B. Krefeld, Heilbronn, Bremerhaven, Salzgitter, Gera) haben ihre Fernverkehrsanbindung vollständig eingebüßt. Selbst Großstädte, die an sich gut im Netz liegen, haben massive Angebotsreduzierungen hinnehmen müssen, z. B. Magdeburg -62 %, Regensburg -55 %, Darmstadt -36 %, Bonn (inkl. Siegburg) -35 % und Dresden -33 %. Ganze Regionen wie Eifel, Mosel, Schwarzwald, Bodensee-Alpen, Nordbayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind inzwischen fernverkehrsfrei oder sehen nur noch wenige „Alibi“-Züge.

Zwar kommen die privaten Wettbewerber im Güterverkehr auf etwas über 25 Prozent, doch auch hier sind sie nicht frei von Benachteiligungen. So müssen sie bis zu 14 Prozent mehr für den Strom für ihre Loks bezahlen, als die Bahntochter Schenker Rail. Begründet wird dies von der für den Bahnstrom zuständigen DB Energie mit Mengenrabatten, welche sie der Konzernschwester gewährt. Den Stromanbieter wechseln, wie es Privathaushalte oder sonstige Unternehmen machen, ist beim Bahnstrom aufgrund der unterschiedlichen Spannung nicht möglich.

Die jährlich stärker als die Inflationsrate steigenden Trassenpreise erweisen sich als größter Belastungsfaktor. Die privaten Güterverkehrsunternehmen müssen diese an ihre Kunden weitergeben, währen die Trassenpreise für die DB Holding ergebnisneutral sind.

„Hier fehlt eine effektive, kostensenkende und effizienzsteigernde Regulierung der Trassenentgelte“, sagte Torsten Sewerin, Vorstandsvorsitzender von Netzwerk Privatbahnen. „Wir brauchen eine aktive Wettbewerbspolitik des Bundes und endlich einen Infrastrukturbetreiber, der nicht mehr mit dem DB-Konzern verquickt ist.“

Uneingeschränkt funktionsfähig sei der Schienenverkehrsmarkt erst dann, wenn die Infrastrukturbetreiber unabhängig agieren. Solange jeder Newcomer auf einen übermächtigen, staatlich protegierten Marktteilnehmer als Mitbewerber treffe, der gleichzeitig das Infrastrukturmonopol besitze, solange würden Investoren den deutschen Eisenbahnmarkt nicht als besonders attraktiv einschätzen. Nötig sei außerdem, so die drei Verbände, die schnelle Stärkung des Regulierers Bundesnetzagentur. Die gesetzlichen Grundlagen der Regulierung müssten präzisiert und verstärkt sowie die personellen Ressourcen der Bundesnetzagentur verbessert werden. „Trotz aller Schwierigkeiten bleibt der Wettbewerb auf der Schiene die wesentliche Voraussetzung, damit wir alle uns den Bahnverkehr in der Zukunft weiter leisten können“, so Bernhard Wewers.

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