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Stuttgart 21: Die Wahl ist um und jetzt?

28.03.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Das war sie also: Die lang ersehnte Landtagswahl 2011. Stefan Mappus und seine schwarz-gelbe Koalition wurden abgewählt, in Baden-Württemberg regiert künftig ein grün-rotes Bündnis. Ausgerechnet im einstigen CDU-Stammland wird der erste grüne Ministerpräsident ins Amt kommen. Auch wenn die Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima wohl letztlich wahlentscheidend war, Stuttgart 21 spielte eine große Rolle.

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Noch vor einem Jahr wäre ein derartiger Wechsel völlig unvorstellbar gewesen. Nun ist es Realität: Nachdem der Nordflügel des Bonatzbaus nachts eingezäunt wurde hat sich eine Protestbewegung gebildet, mit der niemand rechnen konnte. Im Spätsommer und Herbst gab es Demonstrationen mit teilweise über 100.000 Teilnehmern.

Und dann kam der schwarze Donnerstag: Am 30. September ist die Situation im Schlossgarten eskaliert. Die Polizei hat Jugendliche und alte Leute mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen. Ein Mann erblindete, mehrere hundert Menschen wurden verletzt. Hier war etwas passiert, das sich nicht mehr mit Aussitzen würde lösen lassen.

Es kam zu einem Schlichtungsverfahren. Der frühere Bundesgesundheitsminister und CDU-Generalsekretär Heiner Geißler sollte die Parteien an einen Tisch bringen. Die Befürworter witterten hier die Chance, die Projektgegner als notorische Nein-Sager vorzuführen. Doch sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Am Ende forderte Heiner Geißler Stuttgart 21 Plus.

Stuttgart 21 Plus sah zehn statt acht Gleise vor, dazu wäre die Entmischung unterschiedlicher Verkehre auf den unterirdischen Bahnstrecken gekommen. Die Gäubahn wäre erhalten geblieben und er forderte einen Stresstest: Eine Computersimulation sollte nachweisen dass der neue Bahnhof leistungsfähiger würde als der alte.

Und so sah es nach dem Jahreswechsel aus, als hätte schwarz-gelb – anders als im Herbst vermutet – doch große Chancen, weiter regieren zu können. Zwar haben viele nach wie vor auf einen Wechsel gehofft, aber das Thema verschwand mehr und mehr aus dem öffentlichen Bewusstsein. Karl-Theodor zu Guttenbergs gefälschte Doktorarbeit rückte in den Mittelpunkt, es schien, als sei das Thema durch.

Bis Fukushima. Ein gigantisches Erdbeben vor Japan verursachte den größten atomaren Unfall sei Tschernobyl. Ministerpräsident Stefan Mappus war auch in der CDU stets einer der größten Befürworter einer Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke. Er forderte sogar seinen Parteifreund Bundesumweltminister Norbert Röttgen zum Rücktritt auf, weil dieser einen weit gemäßigteren Kurs gefahren ist.

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Und genau das kam wie ein Bumerang zurück. Stefan Mappus, der Atomappus, der Mann, der nicht nur für Stuttgart 21 steht, sondern auch wie kein anderer für eine Nichtabschaltung der Atomkraftwerke, die die Schwaben vor ihrer Haustür haben. Und obwohl der Wahlabend durchaus spannend war, blieb ab 18 Uhr kein Zweifel daran, dass grün-rot die Mehrheit kriegt.

Und jetzt? Jetzt ist der Siegestaumel vorbei, die Regierung wird in den nächsten Wochen die Arbeit aufnehmen. Sie erhält eine Menge Vorschusslorbeeren. Noch gestern Abend haben die Menschen in Stuttgart den Bauzaun eingerissen, die Polizei reagierte zunächst unkoordiniert, verhielt sich dann aber passiv.

Nichtsdestotrotz, die Absage dieses Projektes wird vor allem die Deutsche Bahn so schwer wie nur möglich machen. Sie wird klagen, Regressforderungen stellen und der grün-roten Landesregierung bei ihrem Ausstieg Steine in den Weg legen. Natürlich lässt sich dieses Projekt nicht gegen den Willen einer Landesregierung durchboxen – aber der Preis zum Ausstieg wird hoch sein.

Und die Landesregierung hat gar keine andere Wahl als Stuttgart 21 abzusagen. Die Grünen würden in den politischen Selbstmord laufen, sollte unter ihrem Ministerpräsidenten tatsächlich dieser Bahnhof gebaut werden. Die Entwicklung in den kommenden Wochen und Monaten wird eine andere sein als bislang, aber dennoch nicht minder spannend.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauser (CSU) kündigte am Rande eines Staatsbesuches in Brasilien bereits an, dass Bundesmittel dahin fließen, wo sich die Landesregierungen einig sind, dass gebaut wird. Mit anderen Worten: Eine Beteiligung an Streitereien wird es mit ihm nicht geben. Ihm ist klar, dass das ganze Projekt zum Scheitern verurteilt ist, wenn ein Partner aussteigt.

Und andere Projekte gäbe es ja genug: Die Ausbaustrecken von Karlsruhe nach Basel oder von Oberhausen nach Emmerich am Rhein, den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung der Mitte-Deutschland-Verbindung, die Ertüchtigung zwischen Lübeck und Rostock, den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung von Heidebahn und Amerikalinie, aber auch den Rhein-Ruhr-Express, der realistischerweise nur kommen wird, wenn der Bund sich nicht nur an den Investitions- sondern auch an den Betriebskosten beteiligt.

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