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Immer wieder Kapazitätsprobleme nach Ausschreibungen im Nahverkehr

01.02.11 (Allgemein) Autor:Sven Steinke

Bei Betriebsaufnahmen zuvor ausgeschriebener Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr kommt es immer wieder zu Kapazitätsproblemen. Die Problematik häufte sich erst in den letzten Jahren, da sich die Aufgabenträger nach der Regionalisierung erst mal auf zumeist schwachfrequentierten Linien mit dem Wettbewerb im SPNV vertraut machen wollten.

Problematisch ist vor allem, dass zwischen den Fahrgastzählungen, nach denen die Kapazitätsanforderungen in der Ausschreibung festgelegt werden, und der eigentlichen Betriebsaufnahme Jahre vergehen. Wenn ein Verkehrsunternehmen den Betrieb auf einem Netz nach den Anforderungen der Ausschreibung aufnimmt, sind die geforderten Kapazitäten schon längst veraltet und überholt.

Die Entwicklung der Fahrgastzahlen lässt sich in den Ausschreibungen nur sehr schwer für jeden einzelnen Zug abschätzen. Zusätzlich stehen die Aufgabenträger unter einem massiven Kostendruck. Angebotsausweitungen und neue Verkehrskonzepte lassen sich meist nur durch möglichst hohe Einsparungen realisieren. Zusätzlich steigen die Kosten für die Benutzung der DB-Infrastruktur überproportional und die vom Bund gezahlten Regionalisierungsmittel wurden gekürzt.

Unter diesem Kostendruck versuchen die Aufgabenträger, so wenig Kapazitäten wie möglich bei den Eisenbahnverkehrsunternehmen zu bestellen. Dabei kommt es gerade durch Ausschreibungen zu erheblichen Qualitätsverbesserungen im Angebot, die zusätzliche Fahrgäste auf die Schiene holen. Häufig wird die mögliche Steigerungsrate allerdings durch nicht ausreichende Sitzplätze und ein dichtes Gedränge in den Zügen zur Hauptverkehrszeit abgeschwächt.

Zu ersten Problemen im größeren Umfang kam es erstmals mit der Betriebsaufnahme der Odenwaldbahn durch die VIAS GmbH im Dezember 2005. Der Rhein-Main Verkehrsverbund (RMV) hatte die bestellten Kapazitäten für das neu eingeführte Fahrplankonzept im Odenwald falsch angesetzt. Zu den Hauptverkehrszeiten mussten sich die Pendler wie in einer Sardinenbüchse in die Züge quetschen. Der RMV reagierte allerdings sehr zögerlich mit der Lösung des Problems. Im Jahr 2007 wurden vier weitere Triebzüge bestellt, die erst im Jahr 2010 ausgeliefert wurden.

Im Dezember 2006 kam es dann in Baden-Württemberg zum nächsten Dilemma. DB Regio nahm nach gewonnener Ausschreibung den Betrieb auf der Schwarzwaldbahn mit Doppelstockwagen auf. Zwischen Karlsruhe und Offenburg erwiesen sich die drei Wagen schnell als nicht ausreichend. Kurzfristig wurden Doppelstockwagen an anderer Stelle freigesetzt und neue Wagen bestellt, um das Problem zu lösen.

Ein Jahr später kam es bei der Westfalenbahn im Teutoburger-Wald-Netz zu Problemen aufgrund von zu niedrig angesetzten Kapazitäten. Bei einer Fahrt der Linie RB 61 Bielefeld – Bad Bentheim aus Richtung Bielefeld häuften sich im Zulauf auf Osnabrück Beschwerden von Fahrgästen die auf den Bahnsteigen zurückblieben. Das Problem konnte kurzfristig durch den Einsatz eines vertraglich vorgeschriebenen Reservefahrzeuges gelöst werden.

Im Ruhr-Sieg-Netz kam es bei der Abellio zeitgleich zu ähnlichen Problemen. Ein Zug der Linie RB 91 Hagen – Siegen wurde im Zulauf auf Siegen so voll, dass Fahrgäste zurückgelassen wurden. Kurzfristig wurde das Problem durch den Einsatz eines Triebwagens mit größerer Kapazität gelöst. Zusätzlich bekam eine Fahrt des parallel verkehrenden RE 16 zum nächsten Fahrplanwechsel zusätzliche Halte.

Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) machte gleich in mehreren Netzen mit Kapazitätsengpässen Schlagzeilen. Unteranderem beim Dieselnetz Nürnberg, dem Fugger-Express, dem Dieselnetz Augsburg II und aktuell bei der Mainfrankenbahn. Durch den Einsatz zusätzlicher Züge konnten die Probleme in den meisten Fällen beseitigt werden. Besonders brisant ist die Situation auch beim MünchenNürnbergExpress der per Preisanfrage an DB Regio vergeben wurde. Der schnelle Zug zwischen den größten Städten Bayerns ist häufig überfüllt und musste schon mehrmals durch die Bundespolizei geräumt werden. Eine Lösung ist bisher nicht in Sicht.

Zu weiteren Problemen kam es beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) im Dezember 2009 durch den Betriebsstart des Niers-Rhein-Emscher-Netz. Reisende der NordWestBahn beschwerten sich über belegte Sitzplätze und Verspätungen durch Überfüllung auf den Linien RE 10 Düsseldorf – Kleve und RB 31 Duisburg – Xanten.

Zur selben Zeit geht das Maas-Rhein-Lippe-Netz in Betrieb, hier kommen zwar in den besonders stark nachgefragten Fahrten Doppeltraktionen zum Einsatz. In den einzeln verkehrenden Triebwagen müssen Reisende allerdings zwischen Düsseldorf und Wuppertal sowie zwischen Düsseldorf und Dortmund häufig stehen. Für eine generelle Problemlösung hat der VRR bis jetzt noch nicht gesorgt. Wahrscheinlich aufgrund der finanziell sehr angespannten Lage aufgrund des überteuerten Vertrages mit DB Regio.

Aktuell steht vor allem die im Dezember gestartete Regio S-Bahn Bremen/Niedersachsen in der Kritik. Reisende beschweren sich, dass sie an den Stationen stehen gelassen wurden und im dichten Gedränge nur einen Stehplatz bekommen. Die Aufgabenträger haben die Kapazität einer einzelnen Fahrt erhöht, allerdings reicht das anscheinend nicht aus. Der Fahrgastbeirat des VBN fordert mittlerweile die Bestellung zusätzlicher Triebzüge.

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