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Neue Details zu den Vorgängen im VRR aufgetaucht

14.12.10 (VRR) Autor:Stefan Hennigfeld

Ausschreibung oder Direktvergabe?Spiegel Online berichtete gestern über weitere Details zu den Vorgängen im VRR. Dort ist sogar die Rede von „einem Lehrstück“ und „rüden Methoden“. Es war anscheinend tatsächlich so, dass die Deutsche Bahn und Abellio unmittelbar vor einer Einigung standen. Demnach hätte die Tochter der Niederländischen Staatseisenbahn ab Dezember 2012 die Linien S5 und S8 als Subunternehmer im Auftrag von DB Regio betrieben.

Allein die Tatsache, dass ein couragierter Whistleblower das Kartellamt eingeschaltet hat, konnte diese Einigung verhindern. Abellio hätte seinen Einspruch gegen die Direktvergabe an die Deutsche Bahn dann zurückgezogen. Sie hätten die beiden Hagener S-Bahnlinien gehabt – dort befindet sich auch ihre Hauptwerkstatt. Möglicherweise hätte Abellio dabei sogar noch mehr Geld verdient, als sie es bei einer fairen Wettbewerbsvergabe getan hätten.

Der Neusser Oberbürgermeister Herbert Napp (CDU) ist Verwaltungsratsvorsitzender im VRR. Er hat am Abend vor der mündlichen Verhandlung beim Bundesgerichtshof dafür gesorgt, dass die langjährige VRR-Anwältin Ute Jasper ihres Mandates entbunden wurde. Sie wurde ersetzt durch Olaf Otting, dessen Kanzlei Gleiss Lutz seit Jahren für die DB tätig ist und auch ein Gutachten verfasst hat, das die Bahn im Jahr 2008 im Rechtsstreit mit dem VRR verwandt hat.

Mit Ottings Argumentation, er müsse sich erst in den Fall einarbeiten, hat der Bundesgerichtshof dann seine Entscheidung auf den 8. Februar vertagt. Bis dahin haben die Parteien nun Zeit, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen.

Und da gibt es im VRR auf der einen Seite die „Gruppe Wolff“, rund um den Ministerialdirigenten Oliver Wolff (CDU), zu der auch Herbert Napp gehört. Besondere Schärfe erreicht der Fall dadurch, dass Wolff im ersten Halbjahr 2011 als Hauptgeschäftsführer zum Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) wechseln wird, dessen größter Beitragszahler die Deutsche Bahn ist.

Auf der anderen Seite steht VRR-Geschäftsführer Martin Husmann, der an einer „windigen“ Einigung augenscheinlich kaum interessiert zu sein scheint. Von vielen Seiten wird dabei Wolffs bevorstehender Wechsel zum VDV als Ursache angesehen. Dazu muss man aber wissen, dass nicht die Deutsche Bahn, sondern die großen kommunalen Verkehrsunternehmen den Ton im Verband angeben. Die Ursache könnte also auch ganz anderer Natur sein.

Würde der VRR-DB-Vertrag gekippt, hätte man wieder die Situation, die vor der Einigung da war: Ein alter Vertrag würde gelten, von dem der VRR glaubt, er sei gekündigt und die DB glaubt, die Kündigung sei wirkungslos. In erster Instanz entschied das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bereits zugunsten der Bahn.

Würde das Gelsenkirchener Urteil rechtskräftig oder vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt, dann wäre DB Regio Großgläubiger des VRR. Der VRR hätte zudem ein strukturelles Defizit, sein Etat würde nicht ausreichen, um das derzeitige Angebot zu finanzieren. Der VRR ist eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR), für den seine Träger in unbegrenzter Höhe haften. Das wären die Kreise und kreisfreien Städte, bei denen nichts zu holen ist.

Also würde der VRR, und das wissen die Herren im Ministerium, den Ball zur Landesregierung spielen. Das würde so aussehen: Um seine Schuld bei der DB zu tilgen, müsste der VRR einen Kredit aufnehmen, dessen Bedienung aus dem in Zukunft laufenden Budget erfolgen müsste. Dazu würden Zugleistungen abbestellt werden.

Weil aber bereits vorher ein strukturelles Defizit vorhanden war, müssten auch hier Zugleistungen abbestellt werden, um dieses zu beheben. Sollten jetzt so viele Zugleistungen abbestellt werden müssen, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen entschädigt werden müssen, dann müssten diese Entschädigungen wiederum durch Abbestellungen finanziert werden. Abbestellen und entschädigen kostet im Zweifel weniger.

VRR-Chef Martin Husmann würde also mit einer hässlichen Giftliste ins Ministerium spazieren können und dann sagen, dass zum nächsten Fahrplanwechsel so viele Abbestellungen gemacht werden müssen. Um den vollständigen Verkehrsinfarkt an Rhein und Ruhr zu verhindern, wäre die Landesregierung am Zug.

Und deshalb will die Politik eine schnelle Einigung, um Ruhe zu haben. Sonst würde kein Weg dran vorbeiführen, zusätzliches Geld bereitzustellen. Und zwar weit mehr, als man anderen nordrhein-westfälischen Aufgabenträger abnehmen könnte.

Bild: Deutsche Bahn AG

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