Reuters: Merkel hat Trennung von Netz und Betrieb verhindert
28.09.10 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg
Wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf FDP-Kreise berichtet, war es das Bundeskanzleramt selbst, das die im Koalitionsvertrag vereinbarte Trennung von Netz und Betrieb bei der Deutschen Bahn verhindert hat. Zunächst war geplant, per Gesetz zu verhindern, dass Gewinne aus dem Netz an den Mutterkonzern abgeführt werden, wodurch man jedoch die ab 2011 vorgesehene Bahn-Dividende gefährdet sah.
Die Deutsche Bahn verfügt über rund 34.000 Streckenkilometer und etwa 6.000 Bahnhöfe, die im Jahr 2009 mehrere hundert Millionen Euro Gewinn gemacht haben, finanziert hauptsächlich aus Staatsgeldern. So geht mittlerweile mehr als die Hälfte der Regionalisierungsgelder des Bundes für den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) für die Infrastrukturkosten drauf. Außerdem zahlt der Bund jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro im Rahmen der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) direkt an die Bahn.
Die Bahn kündigte offen an, zukünftig verstärkt Monopolgewinne abzuschöpfen, also insbesondere aus dem ihr zugefallenen Netz. Und die Anfänge sind bereits da: Man hat einzelne Tagesrandlagenfernzüge etwa in Tübingen oder Siegen etabliert, wodurch die Stationsgebühren für alle Züge auf einmal gestiegen sind: Aus Regionalverkehrsknoten wurden Fernverkehrshalte, wenn auch nur höchst selten. Im Fall von Tübingen sind es rund 400.000 Euro, die jedes Jahr ohne Mehrleistung für Regionalzüge an die Bahn gezahlt werden müssen.
Investitionen in die Infrastruktur tätigt der Staat, falls die DBAG sich überhaupt beteiligt, dann nur mit symbolischen Beträgen. Beispiel Bahnhof Rheine im Kreis Steinfurt: Im Rahmen der Modernisierungsoffensive 2 bezahlt das Land Nordrhein-Westfalen etwa 15 Millionen Euro für eine Verbesserung des Bahnhofes. So soll der Tunneldurchbruch zur westlichen Innenstadt realisiert und einer der beiden stillgelegten Bahnsteige reaktiviert werden. Die Bahn beteiligt sich nicht daran, dass ihr miefiger Zugangstunnel in eine Citypassage mit Gleisanschluss umgewandelt wird, kann aber von den Pächtern der Ladenlokale deutlich mehr Miete verlangen.
Beispiel Fernverkehr: Bei der Bahnreform entschied man sich, den Regionalverkehr zu subventionieren, während der Fernverkehr eigenwirtschaftlich betrieben werden sollte. Für die DB gab es daher bei der Abschaffung des InterRegio und bei der bevorstehenden Abschaffung des InterCity gleich doppelten Anreiz, Fernzüge, mit einzelnen Ausnahmen, einzustellen: Während die Trassen- und Stationsgebühren bei eigenwirtschaftlichen Zügen selbst aufgebracht werden müssen, kann man sie bei bestellten Nahverkehrszügen einfach so an den Aufgabenträger weiterreichen. Und wenn ein InterRegio eingestellt und als als (I)RE vom Aufgabenträger wieder gefordert wird, dann kann man die Züge weiter betreiben, diesmal aber abgesichert durch Steuergelder.
So unschön diese Zustände auch sein mögen, so unwirtschaftlich und ordnungspolitisch inakzeptabel, der integrierte Konzern wird dauerhaft bleiben und es führt kein Weg an ihm vorbei: Die rot-grüne Bundesregierung hat 1998 das politische Ziel der Bahnreform, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen, aufgegeben. Statt dessen sollte die Bahn samt Infrastruktur privatisiert werden.
Die große Koalition hat sich in dieser Frage um eine langfristige Lösung gedrückt, der damalige Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte zu allen Problemen meistens dasselbe, nämlich gar nichts. Die schwarz-gelbe Regierung hat die Trennung von Netz und Betrieb zwar im Koalitionsvertrag verankert, führt sie jedoch nicht durch. Deshalb gibt es keine Option, dass Deutschland jemals eine unabhängige und staatliche Infrastruktur bekommt.