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Bahn lehnte 1994 Stuttgart 21 ab

12.09.10 (Allgemein) Autor:Sven Steinke

In der neusten Ausgabe des Spiegels, die morgen erscheint, wird berichtet, dass das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 bereits im Februar 1994 vom Bahnvorstand als unwirtschaftlich bewertet wurde. Laut einem internen Vorstandspapier solle sich das Projekt selbst bei günstiger Annahme nicht rechnen, deshalb wurde empfohlen den Kopfbahnhof in seiner jetzigen Form zu belassen. Bahn-Ingenieure kritisieren, dass sich keine nennenswerten Vorteile bei den Reiseverbindungen ergeben.

Die Deutsche Bahn weist in einer heute erschienen Pressemeldung den Sachverhalt als grotesk zurück. Dann werden wieder als Verbesserung für die Reiseverbindungen die drei  Beispiele genant, die schon seit Jahren verkündet werden. Dabei sollte man aber mal ernsthaft die Frage stellen, ob die Verantwortlichen meinen, dass es auf anderen Relationen keinen verkehrlichen Bedarf gibt oder ob sich an den Reisezeiten nichts ändert bzw. die Fahrt zukünftig länger dauert und Anschlüsse schlechter werden. Dabei könnte man die Reisezeiten auf den genannten Verbindungen auch mit weniger Mitteleinsatz verkürzen.

Denn die Verbindung zwischen dem Flughafen und dem Hauptbahnhof könnte heute schon schneller sein, wenn Züge direkt und ohne Halt zwischen beiden Stationen pendeln würden und nicht nur die S-Bahn, die an jeder Station halt macht. Die Reisezeit zwischen dem Flughafen und Tübingen ließe sich mit einer S-Bahnverlängerung wesentlich günstiger realisieren. Die Fahrzeit zwischen Ulm und Stuttgart verringert sich durch die Neubaustrecke und nicht durch den unterirdischen Durchgangsbahnhof, wobei die Neubaustrecke nur für die Reisezeitverkürzung bei zwei Fernzügen pro Stunde zwischen Ulm und Stuttgart volkswirtschaftlich in keinster Weise gerechtfertigt ist. Ein punktueller Ausbau der Bestandstrecke könnte die Fahrzeiten zwischen beiden Städten auch verkürzen. Stellt sich nur weiterhin die Frage, was verbessert sich für den Reisenden der von Heidelberg oder Würzburg nach Stuttgart möchte?

Außerdem heißt es, dass der Durchgangsbahnhof leistungsfähiger als der jetzige Kopfbahnhof sei. Allerdings fragt sich wie die Verantwortlichen auf diese Feststellung kommen, da der Durchgangsbahnhof nur über 8 Gleise verfügt und der Kopfbahnhof über 16. Desweiteren bestehen bei Stuttgart 21 erhebliche Defizite im Bereich der Zulaufstrecken. So müssen sich demnächst die S-Bahn zwischen Rohr und Flughafen die Strecke mit den Zügen Richtung Singen und Freudenstadt teilen, der komplette Fern- und Regionalverkehr zum Bahnhof wird nur über vier Gleise abgewickelt und der Abzweig bei Wendlingen Richtung Tübingen ist nur eingleisig, wobei die Züge von Tübingen bei jeder Einfahrt die Schnellfahrstrecke nach Ulm kreuzen müssen und so den Verkehr auf dieser behindert. Wenn alles planmäßig fährt mag das recht gut funktionieren, sobald aber ein Zug Verspätung hat, kann dies verheerende Folgen für den kompletten Bahnverkehr im Knoten Stuttgart haben. Die Schlüsse die aus dem Arbeitspapier des Büros SMA gezogen wurden, konnten bisher Seitens der Verantwortlichen nicht konkret wiederlegt werden.

Weiter wird geschrieben, dass  40 leichte und schnelle Güterzüge auf der Neubaustrecke prognostiziert werden. Diese Zahl ist völlig grotesk und stammt aus den längst überholten Annahmen Anfang der 90er, als man mit Schnellfahrstrecken und deren verkehrlichen Auswirkungen noch keinerlei Erfahrungen hatte. Dabei bestehen auf der Neubaustrecke mehrere Hindernisse die eine Nutzung von Güterzügen sehr erschweren.

Zum einen weißt sie eine größere und längere Steigung als die bisherige Bestandsstrecke auf, die deshalb schon von Güterzügen eher gemieden wird. Dann kommt noch hinzu, dass die Strecke über keine Überhohl- oder Ausweichgleise verfügt, sodass den Güterzügen zwischen den Fernzügen nur sehr wenige Trassen zur Verfügung stehen. Außerdem werden vier Tunnel nur in einröhriger Bauweise ausgelegt in denen sich Güterzüge und Fernzüge nicht begegnen dürfen. Verlagerungseffekte von der Straße auf die Schiene lassen sich wesentlich günstiger und effektiver erreichen als mit dem Bahnprojekt Stuttgart – Ulm.

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