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Faktencheck: Die Bahn bei Maybritt Illner

16.07.10 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Am Donnerstag war die Bahn das Thema bei Maybritt Illner im ZDF. Gäste waren u.a. Pro-Bahn-Chef Karl-Peter Naumann und DB-Vorstand Ulrich Homburg. Gleich zu Beginn sprach die Moderatorin aber mit dem Vater eines Mädchens, das am letzten Samstag im ICE zwischen Hannover und Bielefeld zusammengebrochen ist.

Dabei brachte der Mann jede Menge interessante Details ans Tageslicht. So hat das Zugpersonal z.B. nicht nur einen zusätzlichen Halt verweigert, obwohl bereits unmittelbar hinter Hannover erste Fahrgäste über Beschwerden klagten, sondern es hat nicht mal die Rettungsdienste alarmiert. Das geschah durch eine Lehrerin unmittelbar nach dem Eintreffen in Bielefeld. Der Großalarm wurde erst durch die ersten Rettungskräfte ausgelöst.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es zwischen Hannover und Bielefeld mit Minden, Herford und Bad Oeynhausen drei Fernzughalte gibt, in denen ein außerplanmäßiger Halt möglich gewesen wäre. Insbesondere handelt es sich hierbei um Städte, in denen ein größerer Einsatz der örtlichen Rettungsdienste durchaus möglich gewesen wäre – zumal ja bei einem wesentlich früheren Halt weniger Leute auf Hilfe angewiesen wären.

Für den Mann ist es absolut indiskutabel, sich auf eine 150%ige Fahrgelderstattung einzulassen. Ulrich Homburg wies noch einmal darauf hin, dass dieses Angebot unabhängig von den gesetzlichen Entschädigungsansprüchen bei Verspätungen sei. Leider hat die Moderatorin es versäumt, näher nachzufragen: Ist dieses Angebot mit einer Verzichtserklärung auf weitere zivilrechtliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche verbunden? Versucht die Bahn da vielleicht, billig davonzukommen? Die Remscheider Schulleiterin kündigte bereits vor Tagen Regressansprüche an – und das wird Homburg gewusst haben. Diese Frage bleibt daher ungeklärt.

Ulrich Homburg gab als nächstes den Hinweis, dass 44 Züge wegen defekter Klimaanlagen ausgefallen seien. Leider bleibt es bei dieser oberflächlichen Angabe, keine Nachfrage, in wie vielen Zugleistungen denn defekte Anlagen vorhanden seien und auch die Tatsache, dass gerade im Regionalverkehr oft noch unklimatisierte Wagen unterwegs sind, wurde nicht angesprochen.

Wohl aber angesprochen wurde, dass die Bahn sich im Moment auf so einer Art „phänomenalen Ebene“ bewegt. Sie wurden von den defekten Klimaanlagen völlig überrascht und wissen bis heute nicht, was eigentlich los ist. Und das ist auch so eine Frage: Da fallen Geräte aus und die Mechatroniker in den Werkstätten stehen quasi „dumm davor“. Wird das Werkstattpersonal nicht mehr ausreichend aus- und/oder weiter gebildet? Hakt es vielleicht in der Kommunikation mit der Waggonbauindustrie, dass die Bahn selbst nur noch feststellen kann, ob das Ding läuft oder nicht?

Jetzt wurde es aber interessant, Karl-Peter Naumann legt wert auf die Feststellung, dass der Börsengang keine Mehdorn-Idee war. Tatsächlich hatte Hartmut Mehdorn immer nur eine Ventilfunktion, die Öffentlichkeit hat ihn verantwortlich gemacht für eine falsche Bahnpolitik in der Bundesregierung. Dass die Deutsche Bahn AG die Politik überhaupt so massiv vor sich hertreiben kann ist eine Folge rot-grüner Verkehrspolitik: Damals wurde der Anspruch „Mehr Verkehr auf die Schiene“ aufgegeben, jetzt sollte „die Bahn an die Börse“ gebracht werden. Das Credo lautet bis heute: „Die Bahn soll machen, was sie will“ – nur wenn es nicht klappt, dann fordert die Politik Verbesserung. Dabei bleibt es aber in der Regel bei Sonntagsreden.

Dabei bringt der Pro-Bahn-Vorsitzende einen interessanten Aspekt: Seiner Erfahrung nach stehen Mitarbeiter stark unter Druck. Trotz der Behauptung, jeder Zugchef könne im Zweifel einen außerplanmäßigen Halt anordnen, sei die Realität eine andere. Homburg gibt darauf keine Antwort. Es ist vielleicht ein Stück weit bezeichnend. Letztlich würde ein Staatsanwalt aber wahrscheinlich argumentieren, dass der zusätzliche Halt in Minden, Herford oder Bad Oeynhausen zum Zwecke der Nothilfe notwendig gewesen wäre. Anordnung der Transportleitung hin oder her, das geltende Gesetz bricht die Konzernrichtlinien. Aber ob der Druck auf das Zugpersonal in der Realität nicht so hoch ist, dass sie aus Angst den Fahrplan einhalten? Man kann es von außerhalb nicht beurteilen.

Ulrich Homburg kündigte aber Konsequenzen an: Zwar wird der neue ICx, wie auch seine Vorgänger, wieder bei Siemens und Bombardier geordert, allerdings will die Bahn schon während der Entstehungsphase darauf achten, dass die Züge nicht zu sehr am gesetzlichen Limit gebaut werden.

Doch nun bahnte sich ein Thema an, das besonders wichtig ist: Die Frage, ob denn Geschwindigkeiten jenseits der 300km/h überhaupt sinnvoll seien? Karl-Peter Naumann forderte den Schweizer Grundsatz „so schnell wie nötig, nicht so schnell wie möglich.“ Dem widersprach Homburg energisch, gerade auf langlaufenden Relationen sei Hochgeschwindigkeitsverkehr wichtig. Damit zeigt er, dass er bis heute nicht verstanden hat, für welche Art von Relationen die Eisenbahn eigentlich prädestiniert ist. Bahnfahrten finden üblicherweise auf Relationen von fünf bis 200 Kilometern statt, einige mehr auch noch bis 400 Kilometer, aber dann ist Schluss. Der größte Konkurrent der Möchtegern-Bodenhansa ist das Auto und nicht das Flugzeug. Und zwar im Alltagsverkehr.

In diesem Zusammenhang brachte Karl-Peter Naumann noch einmal ein, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen Hamburg und Berlin höher sei als zwischen Frankfurt am Main und Köln, und das obwohl die Höchstgeschwindigkeit zwischen Hamburg und Berlin nur 230km/h beträgt, während zwischen Frankfurt am Main und Köln über 300km/h gefahren werden kann. Das ganze nutzt aber nichts, wenn die Züge sich in zu eng dimensionierten Eisenbahnknoten im Zu- und Ablauf gegenseitig behindern, wenn sie mit 300km/h zehn oder zwanzig Kilometer vor ihrem Ziel ankommen und das letzte Stück auf Altbaugleisen schleichen müssen. Ein eigenes Thema für sich, mit dem man weit mehr als eine Stunde füllen könnte.

Auf die Frage, wieso man denn etliche Fahrzeuge verschrottet hat, mit denen man durchaus in Notfallen noch fahren könnte, wurde Homburg polemisch: Da war die Rede von „InterRegio-Wagen“. Er sagte kein Wort darüber, dass die DBAG kurz nach der Jahrtausendwende eine Option auf 17 weitere ICE 3 hat verstreichen lassen, die aktuellen Nachbestellungen sind für den Auslandsverkehr.

Der letzte interessante Aspekt war dann die Frage nach dem bedingungslos staatlichen Netz. Erst kurz vor dem Ende der regulären Sendezeit wurde das Thema kurz angesprochen. Aber welchen realen Wert hat diese Diskussion denn auch? Rot-Grün wollte den integrierten Konzern, die große Koalition wollte ihn und die aktuelle Regierung hat zwar eine Trennung von Netz und Betrieb im Koalitionsvertrag stehen, führt diese aber nicht durch. Realistischerweise führt kein Weg an diesem integrierten Konzern vorbei.

Fazit: Immer, wenn es spannend hätte werden können, wurde abgelenkt. Die Moderatorin war nicht in der Lage, ernsthaft nachzuhaken. Um es mit dem Volksmund zu sagen: Im Westen nichts neues. Auf der anderen Seite muss man einer solchen Diskussionsrunde zu Gute halten, dass sie für den absoluten Laien bestimmt ist, es handelt sich nicht um Fach- sondern um Allgemeinjournalismus.

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