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Kommentar: Fernbusse sind keine Lösung

02.06.10 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

InterCity in Rheinland-Pfalz auf einer Moselbrücke„Chancengleichheit für Bus und Bahn im Fernverkehr“, ein plakativer Spruch, mal eben „mehr Wettbewerb“ fordern und alles wird gut. Für den sächsischen Verkehrsminister Sven Morlok ist die Welt einfach: Der Markt macht uns glücklich, man muß nur überall deregulieren und schon sind alle Probleme gelöst. Mit dieser Rhetorik mag die FDP bei ihrem Klientel punkten, aber es geht am entscheidenden Punkt vorbei.

Zunächst einmal ist der Wettbewerb der Verkehrsträger etwas anderes als der Wettbewerb der Imbißbuden, bei dem der Staat nur gleiche Bedingungen für alle schaffen muß, um das freie Spiel der Kräfte zu gewährleisten. Die Verkehrsträger sind staatliche Infrastruktur und werden vom Staat zur Verfügung gestellt. Der Staat bzw. staatliche Behörden entscheiden sowohl über die Stillegung von Bahnstrecken als auch über den Bau von Autobahnen. Dazu gehört auch die Entscheidung, daß im überregionalen Schienenverkehr de jure nur da ein Verkehrsbedürfnis besteht, wo die DB Fernverkehr AG (oder ein anderer) eigenwirtschaftlich fährt.

Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main und A3Daß eingestellte IR-Züge durch (I)RE-Ersatzleistungen heute aus einem Budget finanziert werden, das eigentlich der Flächenerschließung dient, kommt in dieser Rechnung schon nicht mehr vor. Aber es ist entscheidend. Eisenbahnverkehr wird abseits der Hochgeschwindigkeitsstrecken von niemandem ohne staatliche Zuschüsse angeboten. Der InterCity ist sehr wohl subventioniert, er wird, sieht man von einzelnen Steuerwagen und den 101er-Loks einmal ab, mit Rollmaterial betrieben, das einst die Deutsche Bundesbahn angeschafft hat. Heute gehört es der DBAG, für die damals aufgenommenen Kredite zahlt aber das Bundeseisenbahnvermögen. Abschreibungen braucht es nicht.

Wenn das InterCity-Rollmaterial am Ende seiner Nutzbarkeit angekommen sein wird, werden auch die Kredite getilgt worden sein. Mit dem gesparten Geld, das der Bund nun nicht mehr dem BEV überweisen muß, könnte er Haushaltslöcher stopfen. Oder man könnte sich überlegen, ob nicht doch bestimmte überregionale Züge in bestellter, also subventionierter Form beibehalten werden sollten.

InterCIty in Berlin auf einer SpreebrückeBedingt durch diese schlechte Lage des SPFV abseits der Hochgeschwindigkeitsmagistralen haben wir in Deutschland heute schon die Situation, daß viele Oberzentren vom Fernverkehr abgekoppelt worden sind. Rennstrecken bedeuten eine Konzentration auf wenige Eisenbahnknoten und Verkehrsbündelungen. Nehmen wir die Oberzentren Siegen und Chemnitz. Mit dem Auto braucht man von Haustür zu Haustür rund vier Stunden. Mit der Bahn sind es mindestens siebeneinhalb und im Normalpreis zahlt man nicht weniger als 100 Euro für die Fahrkarte – pro Person. Wenn ein Fernbus jetzt vielleicht fünf oder sechs Stunden bräuchte, aber nur 30 Euro kosten würde, warum nicht? Warum soll der Staat privaten Investoren verbieten, den Menschen ein Angebot zu machen? Die Eisenbahn, das ist sicher, macht für diese Relation de facto gar kein Angebot.

Da ist zunächst einmal nichts gegen einzuwenden. Natürlich müssen Fernlinienbusse dann Mautgebühren für die Autobahn zahlen – so wie der InterCity Trassenentgelte zu entrichten hat. Wenn kommerzielle Linienbusse an kommunalen Busbahnhöfen halten, die eine gemeinwirtschaftliche Funktion haben, dann sollte man auch über Haltegebühren analog zu den Stationsgebühren bei Zügen nachdenken. Das Geld stünde dann als Investitionsmittel für den lokalen ÖPNV zur Verfügung.

Es ist aber die Kombination, die Bauchschmerzen verursacht: Die Politik läßt auf der einen Seite den Fernverkehr auf der Schiene am langen Arm verhungern. Sie nimmt hin, daß überregionale Leistungen aus dem Etat für den Nahverkehr bezahlt werden und sieht zu, wie der InterCity dem InterRegio in die ewigen Annalen der Eisenbahn folgt. Auf der anderen Seite sollen Fernbusse dann die Lösung sein. Und genau das sind sie nicht!

InterCity im Diesellok in NorddeutschlandWer annimmt, man müsse nur ein generelles Verbot aufheben und schon würde jedes Kuhdorf in Deutschland, in dem sonst nur zweimal in der Woche der mobile Lebensmittelwagen vorbeikommt, mit hochkomfortablen Fernbussen im engen Takt versorgt werden, der glaubt ein wenig zu stark an den Markt. Es ist sicher möglich, daß solche Fernbuslinien zwischen bestimmten Oberzentren, die schlecht miteinander über die Schiene verbunden sind, längerfristig fahren. Gießen und Dortmund wäre so ein Beispiel, dank Sauerlandlinie könnte der Omnibus hier um einiges schneller sein als die Bahn. Aber mehr als einzelne Busse wird es nicht geben.

Wenn Fernbusse in Deutschland genauso üblich werden sollen wie in den Vereinigten Staaten, dann muß die Eisenbahn erst noch viel weiter runtergewirtschaftet werden, als es ohnehin schon der Fall ist. Und das muß die Politik verhindern. Denn bei aller Diskussion, die Schiene ist nach wie vor ein guter Verkehrsträger, der sein Potential besser ausnutzen muß. Deshalb sollten wir uns auch wieder an das politische Ziel der Bahnreform von 1994 erinnern: Mehr Verkehr auf die Schiene!

Bilder: Deutsche Bahn AG

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